Critique24. Februar 2024

Berlinale 2024: «Reinas»: Familienchronik zwischen Vater und Mutter

Berlinale 2024: «Reinas»: Familienchronik zwischen Vater und Mutter
© Berlinale | Diego Romero

Die schweizerisch-peruanische Regisseurin Klaudia Reynicke hat mit «Reinas» eine berührende Familienchronik im Herzen eines hitzigen Perus geschaffen.

«Reinas»: Familienchronik zwischen Vater und Mutter

Klaudia Reynicke | Schweiz, Spanien, Peru | 102 Min.

Text übersetzt aus dem Französischen

1992 befindet sich Peru in einer tiefen Rezession und die Aufstandsorganisation Leuchtender Pfad richtet im Land verheerende Schäden an. In diesem instabilen politischen Umfeld beschliesst Elena (Jimena Lindo), mit ihren beiden kleinen Töchtern das Weite zu suchen. Sie will nach Minneapolis, wo sie gerade einen neuen Job bekommen hat. Um das Land verlassen zu können, braucht sie die Unterschrift ihres Ex-Ehepartners (Gonzalo Molina). Die Abreise ist in drei Wochen geplant, doch der Mann, der schon lange ein Fremder ist, taucht wieder auf und scheint sich mit seinen Töchtern anfreunden zu wollen.

Wenn die Sterne kurz vor der Implosion stehen, leuchten sie tausendmal so hell, bevor sie für alle Ewigkeit erlöschen. Der neue Film der Regisseurin Klaudia Reynicke («Love Me Tender», der 2019 in Locarno Beachtung fand) ist aus eben diesem stellaren Holz geschnitzt. Die Familie, die keine mehr war, wird wieder zu einer, behutsam, mühsam, und funkelt für einen kurzen Moment. Der Vater nennt seine Töchter "meine Königinnen" (auf Spanisch "reinas"), ein merkwürdiger Spitzname, zumal Gonzalo Molinas Charakter sich kaum noch blicken liess. Als er wieder auftaucht, spricht die Grossmutter (die hervorragende spanische Schauspielerin Susi Sánchez, die zum fest Ensemble von Pedro Almodóvar gehört) von einem Wunder.

Wer ihm zuhört, glaubt, er sei Schauspieler, Geheimagent, Sicherheitsunternehmer und spreche Quechua. Die Worte sprudeln und die Lügen gleich mit. Bald wird die Wahrheit durch ein Taxischild entlarvt, das im Handschuhfach seines alten roten Lada versteckt ist. Aber das macht nichts, denn die beiden jungen Mädchen bekommen ihren Vater zurück. Es ist schwer, sich wieder von ihm zu trennen. Unter der Leitung der rührenden Jimena Lindo, die die Besuche koordiniert, nimmt er sie auf Spaziergänge und an den Strand mit. Diego Romeros Kamera begleitet ihre Wanderungen mit einem akribischen Blick auf die Landschaft und das angespannte Klima der Jahre unter der Präsidentschaft von Alberto Fujimori.

Vor dem Hintergrund eines bitteren autoritären Systems komponiert Klaudia Reynicke ein Werk von tiefer Zärtlichkeit, das fast ausschliesslich auf der Augenhöhe der beiden jungen Mädchen angesiedelt ist. Ein Umfeld, das die Kinder zwingt, zu schnell erwachsen zu werden, und die Eltern, die Kontrolle zu abzugeben. Der Film wurde in Sundance, wo «Reinas» seine Weltpremiere mit grossem Pomp feierte, wohlwollend betrachtet, und auch die Berlinale sicherte sich den Film für ihr Programm. In «Reinas» wird der unbeschreibliche Taumel des Aufbruchs greifbar, und Klaudia Reynickes Werk ist dadurch nur noch bewegender.

4 von 5 ★

Eine Zusammenstellung aller Texte der 74. Berlinale findest du hier.

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