Kritik21. September 2023

Fantasy Filmfest 2023: «What Remains»: Ewiger Winter

Fantasy Filmfest 2023: «What Remains»: Ewiger Winter
© Fantasy Filmfest / Minerva Pictures

Der chinesische Regisseur Ran Huang hat mit «What Remains» einen waschechten skandinavischen Thriller inszeniert – inklusive hohem Skarsgård-Aufkommen, Schneegestöber und düsteren Morden. Leider bleibt die wahre Vorlage spannender als die Verfilmung.

«What Remains»: Ewiger Winter

Ran Huang | 131 min.

Mads Lake steht kurz vor seiner Entlassung aus einer psychiatrischen Anstalt, als er einer Pflegekraft eine schreckliche Tat gesteht. Seine neue Therapeutin will dem Geständnis auf den Grund gehen und geht mit ihm auf eine schmerzhafte Reise in die Untiefen der eigenen Erinnerungen. Wie viele Jungen hat der psychisch Kranke auf dem Gewissen?

In «What Remains» ist es vor allem eines: bitterkalt. Der Film hüllt sich in kühle Blau- und Grautöne, immer wieder werden kahle Bäume ins Bild gesetzt, es herrscht Schneegestöber und selbst in den Innenräumen fühlt es sich an wie in der Gefriertruhe. Dafür sorgen die komplette Abwesenheit von Musik, karge Einrichtungen und die gequälten Seelen, die sich dort gegenseitig ihre abgründigen Gedanken offenbaren. Wer den Wink mit dem gigantischen Zaunpfahl noch nicht verstanden hat: Hallo, skandinavischer Thriller!

Die filmischen Vorbilder des chinesischen Regisseurs Ran Huang sind demnach offensichtlich. Ohne Vorwissen weniger klar ist die wahre Geschichte hinter «What Remains», die hier etwas unübersichtlich und sprunghaft wiedergegeben wird. Der Film basiert auf dem Fall von Sture Bergwall, der in den 90er-Jahren in therapeutischen Sitzungen und im Verhör der Polizei insgesamt 33 Morde an minderjährigen Jungen gestand.

So beginnt auch «What Remains» mit einem Geständnis, dem noch viele weitere folgen werden. Zum anfänglichen Gespann von Mads (Gustaf Skarsgård) und seiner Therapeutin Anna (Andrea Riseborough, gesellt sich bald der Polizist Soren (Stellan Skarsgård) – es entwickelt sich eine zermürbende Co-Abhängigkeit. Dabei bleiben die Motivationen und Ziele der Figuren fast komplett im Dunklen, was eine emotionale Bindung deutlich schwerer macht.

Hinzu kommt, dass «What Remains» immer wieder den Fokus wechselt und zwischen den Figuren hin und her springt. Dadurch bleibt es kühl zwischen Figuren und Publikum. Die vielen Zeitsprünge und teilweise unübersichtlichen Ortswechsel machen die Geschichte zusätzlich undurchschaubar. Eine stärkere Fokussierung auf weniger Charaktere oder einen bestimmten Aspekt der Ereignisse hätten für mehr Aufmerksamkeit und eine stringente Erzählweise sorgen können. Besonders schade ist, dass die eigentlich hochinteressanten realen Ereignisse hier gerade noch so viel hindurchscheinen, dass das grosse Potenzial einer Verfilmung sichtbar ist.

Richtig spannend wird es vor allem im Abspann, wenn das Publikum in einer Texttafel erfährt, dass Mads seine Geständnisse Jahrzehnte später komplett widerrufen hat. Obwohl «What Remains» immer wieder Brotkrumen in diese Richtung ausgestreut hat, wird die therapeutische Behandlung und die mögliche Beeinflussung von Mads viel zu wenig und zu zurückhaltend thematisiert. Der Kern der Geschichte ist leider unter zu vielen Schneeschichten vergraben.

3 von 5 ★

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