Oh Boy Deutschland 2012 – 83min.

Filmkritik

Oh Man

Filmkritik: Tamara Schuler

Ein junger Berliner lässt sich durch seinen Alltag gleiten und beobachtet staunend das Treiben um ihn herum: Oh Boy zeigt auf subtile, tragikomische Weise die Tiefen und Untiefen des täglichen Geschehens, die man so leicht übersieht.

Mit Oh Boy feiert der 34-jährige Jan Ole Gerster sein Regiedebüt - und konnte dafür gleich Tom Schilling gewinnen. Der durch das Jugenddrama Crazy bekannt gewordene Schauspieler ist selbst in Berlin geboren und aufgewachsen - ein durchaus wichtiger Punkt, da Gersters Spielfilm auch das Porträt einer Stadt und ihrer Einwohner ist.

Auf den ersten Blick wirkt Niko (Tom Schilling) wie ein Durchschnitts-Berliner. Doch da ist etwas, das ihn von den Menschen in seinem Umfeld unterscheidet: Unschlüssig und ziellos, das Studium hat er an den Nagel gehängt, lässt sich Niko treiben; gleichzeitig staunt er über die kleinen und grossen Absurditäten des Alltags. Sei es die strapaziöse Suche nach gewöhnlichem Kaffee, das Wiedersehen mit seiner einst übergewichtigen Schulfreundin (Friederike Kempter) oder das Nickerchen im Wohnzimmer einer ihm unbekannten Oma: Niko lebt in den Situationen, die sich rund um ihn herum ergeben.

Dass Oh Boy in Schwarz-Weiss gedreht wurde trägt mit Sicherheit dazu bei, diese Tragikomödie noch poetischer wirken zu lassen, als sie schon ist. Doch in diesem Film, der von einzelnen, vielschichtigen Situationen lebt, wären Farben wohl einer Reizüberflutung gleich gekommen. Entsprechend nuanciert und überzeugend spielt auch Tom Schilling, der trotz seiner Omnipräsenz nie aufdringlich wirkt.

Den Ton des Filmes versinnbildlicht die Szene, in der ein alter Mann (faszinierend: Michael Gwisdek) Niko von seiner Kindheit während des Krieges erzählt: Nachdem er seine Erinnerungen auf dem Bartresen ausgebreitet hat, tritt der Fremde auf die Strasse hinaus - und stirbt. In solchen so tragisch wie ironischen Momentaufnahmen offenbart sich Nikos wunderliche Welt, auf die sich die Zuschauer einen Reim machen können, wenn sie denn wollen. Denn zu beurteilen, ob der in Oh Boy gezeigte Ausschnitt aus Nikos Leben einen schicksalsträchtigen Wendepunkt darstellt oder einfach nur ein belangloser Tag wie jeder andere ist, bleibt Jedem selbst überlassen.

Trotz einer gewissen Verschrobenheit weist Niko Eigenschaften auf, die viele Menschen heute vernachlässigen: Aufmerksamkeit, Feingefühl und - trotz oder gerade wegen seiner Planlosigkeit - Ausgeglichenheit. In diesem Sinne ist Oh Boy auch subtile Gesellschaftskritik und ein Aufruf dazu, das Smartphone beiseite zu legen und das unmittelbare, alltägliche Umfeld wieder einmal ein bisschen genauer unter die Lupe zu nehmen.

10.01.2013

5

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Kommentare

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gefuehlsmensch

vor 10 Jahren

Absolut mein Film. Tolle Schauspieler.


gefuehlsmensch

vor 10 Jahren

geschmackssache.


Patrick

vor 10 Jahren

Man taucht im Film Oh Boy in Nikos Altagsleben ein bei dem keine langweilig aufkommt sowie wird es auch Lustig aber vorallem ist es grandios gespielt ist. Die Figuren im Film sind so dargestellt wie man sie täglich auf der Strasse treffen könnte. Der Film bekam 6 Lolas(Deutscher Filmpreis) und überholte so mit
Cloud Atlas, daher sollte man sich die DVD mal reinziehen. Die Lolas waren für Musik, Drehbuch, Regie/Bester Film (Jan Ole Gersten) sowie an die Darsteller Tom Schilling(Niko) und Michael Gwisdek(Alter Mann an der Bar) die Preise sind völlig zu recht.Mehr anzeigen


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