Kinshasa Symphony Deutschland 2010 – 95min.

Filmkritik

Impromtu autodidaktissimo

Filmkritik: Eduard Ulrich

Die Demokratische Republik Kongo macht immer wieder von sich reden, denn dort herrschen Mord und Totschlag. Da freut man sich über einen Dokumentarfilm, der ein in vieler Hinsicht ungewöhnliches Laienorchester aus Kinshasa vorstellt, das sich unter anderem an einer Aufführung von Beethovens Neunter versucht.

Das Erbe der Kolonialzeit wiegt schwer, und besonders schlimm ist der Kongo betroffen, denn dort wüteten die belgischen Kolonialisten nicht nur besonders barbarisch, sondern auch besonders lang: Erst am 15. August 1960 konnte sich das riesige Land unter dem Namen Zaïre die Unabhängigkeit erkämpfen, aber Ruhe und Ordnung kehrten seither nicht ein. Deshalb ist es kaum zu glauben, dass in der 10-Millionen-Hauptstadt Kinschasa ein Laienorchester mit rund 100 Mitgliedern täglich, wie die Profis, probt.

Es pflegt damit ein kulturelles Erbe, das gerade aus dem Europa stammt, aus dem auch die Unterdrücker kamen. Hochwertige Musik scheint universell zu wirken, auch die musikalischen Schätze Afrikas finden weitherum anklang, vor allem bei der Jugend. Natürlich gibt es in zentralafrikanischen Gesellschaften keine Tradition europäischer Kunstmusik, so fehlt von der Infrastruktur (Konzertsäle wären Luxus, aber Strom für die Probensaalbeleuchtung wär schon echt praktisch) über die Instrumente bis zum Publikum alles, worauf sich westliche Orchester verlassen können - da ist viel Improvisationstalent nötig, und so werden die Mitglieder zu Pionieren im eigenen Land, wenn sie für ihre Musik werben und sie öffentlich aufführen. Trotzdem kommen die MusikerInnen regelmäßig zur Probe, auch wenn sie unter schwierigen Bedingungen leben und manche mitten im Straßenlärm üben müssen.

Zum Nationalfeiertag soll Beethovens Neunte aufgeführt werden, wozu noch ein Chor mit ebenfalls rund 100 SängerInnen auf die Beine gestellt wird. Claus Wieschmann und Martin Baer porträtieren unaufgeregt einige Mitglieder von Chor und Orchester, zeigen Ausschnitte der Probenarbeit und der triumphalen Aufführung unter freiem Himmel. In den deutschsprachigen Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz gibt es soviele Amateurorchester wie nirgends sonst. Hauptsächlich die Mitglieder dieser Orchester werden mit Rührung und Heiterkeit vieles entdecken, das sie aus eigener Erfahrung kennen. Sie werden aber auch staunen, dass es möglich ist, Instrumente mit afrikanischen Materalien nachzubauen, ohne eine Lehre besucht zu haben, sie spielen zu lernen, ohne Unterricht erhalten zu haben, und die berühmte "Ode an die Freude" so aufzuführen, dass man sie zweifelsfrei wiedererkennt.

08.03.2011

3

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Kommentare

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DukeNightcrawler

vor 13 Jahren

Bewegender Film! Die Leidenschaft zur Musik treibt diese Menschen voran, mich als Musiker hat dieses Durchhaltevermögen sehr begeistert


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