El Bulli: Cooking in Progress Deutschland 2011 – 108min.

Filmkritik

Der nicht mit Wasser kocht

Filmkritik: Eduard Ulrich

Das katalanische Restaurant El Bulli ist längst eine Legende und seit kurzem auch Geschichte. Gereon Wetzel konnte aber noch einen vollen Jahreszyklus von jeweils halbjähriger Experimentier- und Betriebsphase mit der Kamera begleiten und ein einzigartiges Dokument der sensationellen Küche von Meister Ferran Adrià schaffen - komentarlos und genauso kompromisslos wie dessen innovative Menüs.

Essen im Film spielt aus rein praktischen Gründen selten die Hauptrolle, in diesem spielt es sogar die einzige, und im El Bulli war es die Attraktion, die fulminant inszeniert zelebriert wurde. Dort wurden die mehrstündigen Abendessen wie Varieté-Aufführungen programmiert, die den Gast bis zum Schluss bei Laune halten müssen. Das geht nur mit einfallsreichen Überraschungen, die alle Sinne ansprechen. Ein Gericht das klingt? Das Ohr isst mit?

Tatsächlich: Adrià kommentiert einen Gang mit der Bemerkung, der Geschmack sei hier Nebensache, weil Augen und Ohren genug beschäftigt seien. So wird Essen für den Filmemacher und das Publikum zum Glücksfall, sind doch dies die Sinne, die der Film bedient, und man kann es verschmerzen, weder Geruch noch Geschmack wahrzunehmen. Adrià berücksichtigt daneben noch die Beschaffenheit einer Speise, was in dieser Form bisher in der europäischen Küche nicht üblich war. Dieser Parameter scheint die treibende Kraft für seine bahnbrechende Arbeit zu sein, die mit dem Etikett "molekular" nur plakativ umschrieben wird. Wenn da etwas auf dem Teller dampft, der elegant serviert wird, dann ist es die Kälte des Trockeneises, und manch eine Speise scheint aus dem Repertoir eines Zauberkünstlers zu stammen, wenn sie sich wie von Geisterhand manipuliert vor den Augen oder im Mund des verblüfften Gastes verwandelt.

Dass Wetzel offenbar ungehindert hinter die Kulissen schauen durfte und dabei auch Pannen und Konflikte erlebte, die er nicht verheimlicht, ist der andere Pluspunkt, der Adrià als souveränen Chef erscheinen lässt, dem das Streben nach Erfolg und die Suche nach dem wirklich Neuen Arbeits- und Lebensinhalt zu sein scheint. Dass er damit an die Grenzen des Zumutbaren für seine Mitarbeiter und ganz wenigen Mitarbeiterinnen geht, scheint ihn offenbar nicht zu stören - getreu dem Motto: Wer die Hitze nicht verträgt, hat in der Küche nichts zu suchen. Man sieht aber auch, wie diese phänomenalen Ergebnisse nur durch präzise Planung und pausenloses Üben zu stande kommen, und so dem Gast ein unvergessliches Erlebnis bescher(t)en.

19.10.2011

4

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