Der schönste Tag in meinem Leben Italien, Grossbritannien 2003 – 103min.

Filmkritik

Sauberen Tisch machen

Filmkritik: Irene Genhart

"Il piú bel giorno della mia vita" ist das zartbitter-erfrischende Porträt einer Römerfamilie, die sich nach Jahren der Entfremdung endlich über die Liebes-Beziehungen ihrer Mitglieder zu unterhalten beginnt.

Beziehungskrisen, Streit, Seitensprünge, Psychosen, auseinanderbrechende Familien und aus dem Ruder laufende Feste: Diese Themen gehörten in den letzten zehn Jahren vor allem in die Domäne der skandinavischen Dogma-Filme. Doch nun zieht Italien nach: Mit "Il piú bel giorno della mia vita" kommt kurz nach "Ricordati di me" ein zweites Familiendrama aus Italien bei uns ins Kino, das zeigt, dass Familien auch in anderen Teilen Europas mit Problemen zu kämpfen haben.

Im Mittelpunkt des siebten Spielfilms von Cristina Comencini steht Irene, die von Virna Lisi, der Grande Dame des Italienischen Kinos, mit viel Verve und Herzlichkeit gespielt wird. Früh verwitwet und etwas in die Jahre gekommen, lebt Irene alleine in einer alten Villa ausserhalb von Rom. Ihre drei erwachsenen Kinder - die Töchter Rita (Sandra Ceccarelli) und Sara (Margherita Buy), sowie ihr Sohn Claudio(Luigi Lo Cascio) - raten Irene das Haus zu verkaufen und in die Stadt zu ziehen. Irene aber hängt an der alten Villa und den zahllosen Erinnerungen an vergangene Zeiten, die sich mit dieser verbinden.

Zudem trifft sich die Familie sonntags regelmässig bei ihr zum Dinner, und bald wird man da die Erste Kommunion ihrer jüngsten Enkelin Chiara feiern. Ein paar Wochen vor Chiaras Fest trifft Irene in ihrem Garten einen unbekannten, aber sympathischen jungen Mann. Weil dessen Rüde Irenes läufiger Hündin unerlaubterweise seine Aufwartung macht und Irene eben ihre Familie zum Essen erwartet, bittet sie den Fremden zu Tische. Der erweist sich allerdings als Bekannter ihres Sohnes Claudio und alsbald kommt zur Sprache, was man Irene jahrelang verschwieg: Claudio ist schwul.

Fortan stehen die Zeichen eher auf Zwist, denn auf Fest: Derweil sich die jüngste Generation - Chiaras Schwester und Cousin - zwischen Schule und Disco mit Drogen, Liebe und erster Sexualität auseinandersetzt, beginnen die Erwachsenen, sich über ihr Sex- und Beziehungsleben zu unterhalten und sich jahrelange gehütete Lebenslügen zu gestehen. Zur Sprache kommt nicht nur Claudios Homosexualität, sondern auch Irenes unglückliches Ehe- und unerfülltes Sexualleben, Saras Einsamkeit und Verbitterung sowie Ritas Ehe-Überdruss und Seitensprünge.

"Il piú bel giorno della mia vita" ist über weite Strecken aus der naiv-unbestechlichen Sicht der jungen Chiara erzählt. Im Gegensatz zu den Dogma-Filmen allerdings wirken die Bilder, selbst wenn eine wacklig geführte Videokamera Chiaras Sicht der Ereignisse wiedergibt, stets schön gefilmt. Auch die familiären Auseinandersetzungen geraten bei Comencini, trotz den teilweise heiklen Themen und für alle Betreffenden schmerzlichen Situationen, nicht desaströs, sondern wohltemperiert, und wirken befreiend.

Wenn Chiara gegen Ende des Films in anbetracht der anstehenden Scheidung ihrer Eltern meint, dass dieser wohl letzte mit Mutter und Vater gemeinsam verbrachte Tag der schönste ihres Lebens sei, wirkt das nicht ironisch, sondern versöhnlich. Und es zeigt, dass Cristina Comencini, die auch als Schriftstellerin und Drehbuchautorin Erfolge feiert, einiges vom Talent ihres Vaters, des berühmten Regisseurs Luigi Comencini, geerbt hat.



10.11.2020

3.5

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Kommentare

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albana

vor 20 Jahren

ich liebe solche filme!


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