Interview

Stefan Haupt: «Man muss realistisch bleiben»

Stefan Gubser
Interview: Stefan Gubser

Die Dokufiction «Der Kreis» steigt für die Schweiz ins Rennen um den nächsten Auslands-Oscar: Regisseur Stefan Haupt über einheimische Konkurrenz, internationale Wahrnehmung und Glück.

Stefan Haupt: «Man muss realistisch bleiben»

Wobei stören wir Sie gerade, Herr Haupt?

Bei der Drehbuchüberarbeitung für ein neues Spielfilmprojekt. Ich arbeite an der Verfilmung von Lukas Hartmanns Roman «Finsteres Glück».

Müssten Sie nicht längst im Flugzeug nach Los Angeles sitzen, wenn das etwas werden soll mit dem Oscar?

(lacht) Voraussichtlich fliegen wir im November in die USA.

Haben Sie schon einen ersten Gedanken an die Dankesrede bei den Oscars verschwendet?

Das hat noch Zeit.

Gab in Delémont, wo die Vor-Nomination für die nächsten Oscars bekannt gegeben wurde, die gesellschaftliche Relevanz den Ausschlag für Ihre Dokufiction über die Schwulenbewegung im Zürich der 50er Jahre? Homosexuelle Handlungen stehen heute noch in über 70 Ländern unter Strafe.

Das hat sicher eine Rolle gespielt. Genau so wichtig war aber, dass wir international gut aufgestellt sind. Da verdanken wir viel der Berlinale, wo Der Kreis als erster Film überhaupt gleichzeitig den Teddy-Award und den Publikumspreis gewann. Wir haben bereits einen Verleih in den USA, der Film läuft auf über 70 Festivals, hat viele Preise gewonnen. Und ich glaube, das bekomme ich auch zu hören, Der Kreis sei eine selten schön geglückte Verheiratung von Dokumentar- und Spielfilm. Der Film kommt einfach gut an!

«International gut aufgestellt», sagen Sie: Das ist nun nicht gerade Alltag für eine Schweizer Produktion. Wusste man einfach, mit diesem Thema ist mehr drin als die Schweiz?

Wir wollten uns von Anfang an nicht beschränken und erhielten dann mit den Berlinale-Preisen eine ganz andere internationale Wahrnehmung. Es hilft sehr, wenn «Variety» und «Hollywood Reporter» gut über einen Film schreiben.

Sie haben sich gegen Der Goalie bin ig, Left Foot Right Foot, Traumland und Vielen Dank für Nichts durchgesetzt. Hätten Sie auch für Ihren Film gevotet?

Um ehrlich zu sein – ja. Ich finde die anderen Filme aber auch toll. Speziell begeistert haben mich Traumland und Der Goalie bin ig. Die hätten es genau so verdient wie Der Kreis.

Haben Sie Xavier Koller schon angerufen? Der weiss ja, wie man einen Oscar gewinnt.

Bin ich noch nicht dazugekommen. (lacht) Aber mit Markus Imhoof habe ich mich schon unterhalten.

Imhoofs Dokumentarfilm More Than Honey schaffte es 2014 nicht auf die Shortlist der fünf dann tatsächlich Oscar-Nominierten. Ein schlechtes Omen?

Das ist kein Omen. (lacht) Man muss realistisch bleiben: Es sind über 70 Filme im Rennen – für fünf Nominationsplätze. Es ist schon grossartig, der ausgewählte Schweizer Beitrag zu sein. Was jetzt noch dazukommt, ist ein Geschenk. Wir nehmen es, wie es kommt – kämpfen natürlich aber dafür, möglichst weit zu kommen...

Jetzt heisst es, den Film in den USA bekannt zu machen und dafür zu sorgen, dass ihn die Mitglieder der Academy sich überhaupt anschauen. Was können Sie als Regisseur für Ihren Film tun, damit Sie am 22. Februar 2015 im Smoking im Dolby Theatre zu Los Angeles sitzen?

Ein grosser Teil der Arbeit fällt für die Produzenten an, die mit unserem amerikanischen Verleih koordiniert wird. Ich fungiere als Sparringpartner und mobilisiere alle Leute, die ich kenne, die wieder Leute kennen. Ich werde für Screenings in New York, Los Angeles und San Francisco in die USA reisen, wir werden mit der Schweizer Botschaft zusammenarbeiten. Wir stellen uns diesem Campaigning.

Das wird Sie hoffentlich nicht zu stark von Ihrem neuen Projekt abhalten?

Als Regisseur lernt man früh, gleichzeitig auf mehreren Hochzeiten zu tanzen. Diese Nomination ist in erster Linie ein Motivationsschub.

22. September 2014

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