Kritik12. August 2019 Locarno Critics Academy
«7500»: Ein klaustrophober Thriller auf 12'000 Meter Höhe
In «7500» entführen islamistische Terroristen ein Flugzeug und stellen einen jungen Piloten vor eine schwerwiegende Wahl.
Filmkritik von Dario Pollice im Rahmen des Locarno Film Festival
Zwei blutüberströmte Männer liegen im Flugzeugcockpit. Der eine ist bewusstlos, der andere tot. Wenige Augenblicke zuvor haben islamistische Terroristen versucht, das Cockpit gewaltsam zu stürmen. Nur mit äusserster Mühe ist es dem jungen Piloten Tobias gelungen, die Tür zu verriegeln. Doch die übrigen Terroristen haben die Passagiere als Geiseln genommen, und drohen sie umzubringen, falls Tobias die Tür zum Cockpit nicht öffnet. Nun liegt es an ihm, zu entscheiden: Entweder sterben die Passagiere, dafür behält Tobias die Kontrolle, oder die Terroristen übernehmen den Steuerknüppel. So oder so verlieren unschuldige Menschen ihr Leben.
«7500» ist in der Funksprache des Flugverkehrs der Code für eine Flugzeugentführung. In den 1990er-Jahren erlebten Flugzeugentführungen auf der Kinoleinwand einen Boom und wurden raumgreifend und mit grosser Kelle inszeniert; man denke etwa an «Con Air» (1997) oder «Air Force One» (1997). Der junge deutsche Regisseur Patrick Vollrath (34) geht mit «7500» hingegen in die entgegengesetzte Richtung und reduziert den Raum der Erzählung gänzlich auf das Cockpit.
Als Zuschauer sitzen wir zusammen mit Tobias auf engstem Raum und erfahren lediglich über einen kleinen Monitor, was sich ausserhalb des Cockpits abspielt. Der begrenzte Handlungsraum im Zusammenspiel mit der Handkamera (Sebastian Thaler) sorgen für eine klaustrophobische Kammerspielatmosphäre, die unsere Kehle im Verlauf von 90 Minuten immer mehr zuschnürt.
In erster Linie war mir die Qualität des Schauspielers wichtig. Ich wollte einen Alltagstypen haben, eine Art junger Tom Hanks, der die Zuschauer emotional durch den Film begleitet – das ist Joe.
Ein Grossteil der Spannung entsteht durch die schnörkellose Inszenierung von Patrick Vollrath, aber auch durch exzellente Leistungen der Darsteller, allen voran Joseph Gordon-Levitt als Tobias. Auch wenn der Hollywood-Star («Inception», «The Dark Knight Rises») einen Hauch Glamour mit sich bringt, sei das nicht der primäre Grund für seine Besetzung gewesen, erzählt Vollrath: «In erster Linie war mir die Qualität des Schauspielers wichtig. Ich wollte einen Alltagstypen haben, eine Art junger Tom Hanks, der die Zuschauer emotional durch den Film begleitet – das ist Joe.»
In den vergangenen Jahren ist der Nachwuchsregisseur aus Niedersachsen vor allem durch seinen Kurzfilm «Alles Wird Gut» (2015) aufgefallen, der unter anderem mit dem Studenten-Oscar ausgezeichnet wurde. Mit «7500» gibt Vollrath nun seinen erfolgreichen Einstand im Spielfilm und hinterlässt auf der Piazza Grande in Locarno eine gewichtige Visitenkarte für die Zukunft.
4 von 5 ★
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