Billie Grossbritannien 2019 – 96min.

Filmkritik

Das extreme Leben der Jahrhundertsängerin

Björn Schneider
Filmkritik: Björn Schneider

Billie Holiday zählt zu den bedeutendsten Jazz-Sängerinnen aller Zeiten, deren Improvisationstalent in die Geschichte einging. Die ungeschönte, nachdrückliche Künstler-Doku „Billie“ widmet sich der bewegenden Geschichte einer Sängerin, die ein Dasein zwischen Exzessen, Erfolgen und seelischen Qualen führte.

Aus ärmlichen Verhältnissen stammend, gelang Billie Holiday Ende der 30er-Jahre der Durchbruch. Ihre Darbietungen von Jazz- und Swing-Standards wie „Solitude“ oder „Blue Moon“ beeinflussten Generationen. Zu kämpfen hatte die 1959 mit nur 44 Jahren verstorbene Holiday mit Drogenproblemen und gewalttätigen Ehemännern. James Erskine („The Battle of Sexes“) zeigt die filmreife Biographie der grossen Künstlerin. Den Schwerpunkt bilden unveröffentlichte Tonbandaufnahmen der Journalistin Linda Kuehl.

In den späten 60er-Jahren begann Kuehl mit der Arbeit an einer Biographie über Billie Holiday. Für das Buch interviewte die Journalistin unzählige frühere Musiker-Kollegen Holidays, darunter Sylvia Syms, Tony Bennet und Charles Mingus. Doch nach dem frühen Tod von Kuehl in den 70er-Jahren verschwanden die Tondokumente im Archiv – bis Regisseur Erskine Zugriff auf das Material erhielt und es für „Billie“ restaurieren liess. Aus 200 Stunden an Aufnahmen konnte er auswählen.

Sorgfältig und mit grossem gestalterischem Aufwand erweckt Erskine die Chanteuse zum Leben. Und selten kam man ihr emotional näher. Geschuldet ist dies den akkurat ausgewählten Interview-Auszügen, die in bestechender Ton-Qualität vorliegen. Ausführliche Einblicke in Holidays Alltag geben etwa Roy Harte, Bobby Tucker oder Count Basie. Die Jazz-Musiker standen lange mit Holiday auf der Bühne. Oder der Plattenproduzent John Hammond, der die Sängerin 1933 entdeckte. Sie alle zeichnen das Bild einer perfektionistischen, komplexen Künstlerpersönlichkeit, die seit jeher mit sich und ihren inneren Dämonen rang.

Ebenso ist es Erskine hoch anzurechnen, dass sein Film nichts beschönigt und verschweigt: weder die Drogenexzesse, noch Holidays Konflikte mit den (Polizei)Behörden oder ihre intensiv geführten Affären mit Männern und Frauen. Wie talentiert Holiday war und wie gefühlvoll sie auf der Bühne ihre Stücke intonierte, verdeutlichen die zahlreichen, nachkolorierten Konzert-Aufnahmen und Live-Impressionen. Zu hören und zu sehen gibt es Klassiker wie „Now baby or never“ oder „God bless the child“.

Einen Bogen in die Gegenwart schlägt „Billie“ indem er Holidays eigentliche Lebensleistung unterstreicht: Sie durchbrach Geschlechter- und rassistische Grenzen. Als eine der ersten Sängerinnen trat sie mit weissen Musikern auf und setzte sich in einer von Männern dominierten Szene durch. Und das trotz jahrelanger, rassistisch motivierter Schikanen und Erniedrigungen.

21.04.2021

4

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