CH.FILM

Looking Like My Mother Schweiz 2016 – 78min.

Filmkritik

Magnet des Grauens

Björn Schneider
Filmkritik: Björn Schneider

In ihrem Film Looking like my Mother taucht Dominique Margot tief in das Leben ihrer Mutter ein, die jahrelang unter schwersten Depressionen litt. Entstanden ist ein mutiger und visuell vielschichtiger Film, der berührt.

Filmemacherin Dominique Margot versucht nachträglich zu verstehen, wie ihre mittlerweile verstorbene Mutter krank werden konnte. Daher interviewte sie Verwandte und ehemalige Weggefährten. Margot berichtet von ihrer Ohnmacht als Kind, nichts an dem Zustand ändern zu können und von der Wut als Teenager, der wenig Verständnis für die tückische Krankheit aufbrauchte. In einer Mischung aus Spielszenen, privaten Videoaufnahmen sowie Gesprächen, nähert sie sich in Looking like my Mother ihrer Mutter an.

Bekanntheit erlangte die Züricher Regisseurin Margot vor allem durch ihre Dokumentation Toumast von 2012. Darin befasste sie sich mit der Unterdrückung des Volkes durch die Regierungen von Mali und des Niger, in der Mitte der 90er-Jahre. Um ihr ganz persönliches Schicksal sowie das ihrer Mutter, geht es in Looking like my Mother, in der Margot behutsam die Geister der Vergangenheit heraufbeschwört.

Als "Geisterkönigin" kam Margot als Kind auch oft ihre Mutter vor. Offen und ohne Scheu berichtet sie von der Krankheit, die in ihren schlimmsten Phasen schier unfassbare Züge annahm: an die sechs Monate verbrachte sie während der tiefsten Depression fast ausnahmslos im abgedunkelten Schlafzimmer, sie war zu schwach zum Essen und Sprechen und das Bad suchte sie – aus Angst, die Nachbarn würden sie durch Kameras überwachen – auch tagelang nicht auf. Behutsam aber zugleich akribisch, versucht Margot Antworten zu finden, wie aus der Mutter, die ja eigentlich eine behütete Kindheit in der Idylle des Berner Hinterlands hatte, so krank werden konnte.

Sieht man die alten Videoaufnahmen, die die Mutter u.a. als lebensfrohes Kind und vergnügt auf ihren Skiern zeigen, scheint die Frage durchaus berechtigt. Doch je weiter die Regisseurin mit ihren Recherchen kommt und je intensiver und tiefgehender die Interviews mit den Gesprächspartnern werden, desto klarer zeigen sich mögliche Ursachen. So litt die Mutter z.B. lange Zeit unter dem extrem konservativen, strengen Vater. Eindringlich gestalten sich auch die in Spielszenen nachgestellten Momente, in denen die depressive Mutter mit der Tochter kommuniziert. Als "Magnet des Grauens" und "schwarzen Sog", dem sie sich nicht entziehen könne, beschreibt sie die eigene Krankheit.

Margot nutzt für ihren Film zudem vielfältige visuelle Einfälle und Spielarten: da erwachen Foto-Motive unerwartet zum Leben, die Depression wird visualisiert, Tochter und Vater finden sich plötzlich auf der Titanic wider oder die Ereignisse werden in eine Puppenstube mit surrealen Figuren übertragen. Ein mutiger und – wie sich hier zeigt – vielseitiger Film.

14.10.2016

4

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Kommentare

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Yvo Wueest

vor 7 Jahren

Sich durchs Leben bewegen ... wie Figuren im Puppenhaus

Wie damit umgehen, wenn ein Elternteil an Depression erkrankt? Wie der Ohnmacht als Kind, später der Wut als Teenager begegnen, wenn sich in der Kleinfamilie (fast) alles nur noch um die Krankheit der Mutter dreht. In ihrem sehr persönlichen und äusserst sehenswerten Film ist Dominique Margot eine berührende Konfrontation mit der eigenen Herkunftsfamilie, mit Vergänglichkeit, der Suche nach Lebenssinn, gelungen.Mehr anzeigen


Basler61

vor 7 Jahren

Der Film beschreibt die Depression als etwas ein Stein gemeisseltes, dem man wehrlos ausgeliefert ist und analog der Haarfarbe oder der Körpergrösse, genetisch bestimmt wird. Die Tochter der Filmemacherin hat eine etwas andre Perspektive: Sie sieht die Depression als ein medizinisches Problem. Darüber muss man schmunzeln. Die Hilflosigkeit der Medizin kommt im Film gut zum Ausdruck, eigentlich kein Wunder, da es sich um ein psychisches Problem handelt. Aber der Film ist sonst gut gemacht und unterhaltsam, auch wenn die etwas schülerhaften Versuche, Depression mt filmischen Mitteln darzustellen (Architektur, Musik), nicht immer überzeugen.Mehr anzeigen


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