Ich und Earl und das Mädchen USA 2015 – 105min.

Filmkritik

Herzog und das sterbende Mädchen

Urs Arnold
Filmkritik: Urs Arnold

Zweifacher Sundance-Preisträger, zu Recht: "Me and Earl and the Dying Girl" ist fantasievoll und verspielt, ergreifend, aber nie larmoyant.

Greg (Thomas Mann) gibt in der Highschool sein Bestes, unsichtbar zu sein und tiefere Bekanntschaften zu vermeiden. So schafft er das eigentlich Unmögliche: Er ist bei allen Gruppierungen des Schulkosmos’ akzeptiert. Auch der eigenwillige Geschichtslehrer Mr. McCarthy (Jon Bernthal) mag den Schlacks, und lässt ihn und seinen einzigen Freund Earl (RJ Cyler) deshalb bei sich Filmgeschichte "studieren". Die gesehenen Klassiker parodieren die beiden dann in Kurzfilmen, wobei sie besonders für Werner Herzogs Schaffen eine Schwäche entwickelt haben.

Eines Tages wird Greg von seiner Mutter gebeten, seiner Schulkameradin Rachel (Olivia Cooke) einen Besuch abzustatten. Rachel ist an Leukämie erkrankt. Ihre Lust auf Mitleidsbekundungen hält sich wahrhaftig in Grenzen, genauso wie Gregs Euphorie über den Besuchszwang. Bald jedoch gewöhnen sich die beiden an einander, könnten gar Freunde fürs Leben werden. Wenn da nur nicht der Krebs wäre.

"Me and Earl and the Dying Girl" wurde am Sundance Film Festival 2015 mit den beiden heissbegehrtesten Trophäen bedacht: dem Preis der Grossen Jury und dem Publikumspreis. Üppige Lorbeeren sind das, und absolut verdiente, sprudelt dieser Film doch nur so von Fantasie und Einfällen.

Dabei ist anzumerken, dass Regisseur Alfred Gomez-Rejon seinerseits die Filmgeschichts-Kiste öffnet und mit beiden Händen zugreift. Unverblümt verarbeitet er hier Versatzstücke von Be Kind Rewind, (500) Days of Summer oder 50/50. Die Kamera erinnert in ihrer Präzision nicht wenige Male an Wes Anderson, nur dass sie sich bisweilen auch mal in entfesselter Agilität austoben kann. Dies passt letztendlich sehr gut zu einem Film, der sich um einen fantasievollen Jugendlichen dreht, und der sich im Allgemeinen kaum kreative Schranken setzt.

Über seine 105 Minuten Spielzeit hinweg findet dieses Crossover-Werk zwischen Highschool-Komödie und Krebsdrama sehr wohl eine unverwechselbare Stimme. Ein tolles Cast von unbekannten Schauspielern – die wir wohl alle bald in grossen Produktionen sehen werden – und das sich geschickt entfaltende Drehbuch von Jesse Andrews treibt diese Geschichte höchst anregend vor. Dabei werden auch mal die Augen wässerig, hält die errichtete Humor-Mauer der Tragik der Krankheit irgendwann nicht mehr stand. Larmoyanz aber geht diesem erfrischend verspielten Stück US-Indie-Filmschaffens glücklicherweise gänzlich ab.

19.02.2024

4

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Kommentare

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Barbarum

vor 8 Jahren

Fast perfekt. Genug Witz, Tragik, einfallsreiche Kameraarbeit hat der Streifen und auch allen voran die drei jungen Hauptdarsteller machen ihre Sache grandios. Aber leider geht der Dramaturgie im Mittelteil ein wenig die Luft aus, um dann erst gegen das Ende hin wieder voll zu überzeugen. Trotzdem alles in allem mehr als sehenswert.Mehr anzeigen


Watchlist

vor 8 Jahren

Ganz grosses Kino!


zuckerwättli

vor 8 Jahren

Auf der Piazza Grande in Locarno gesehen - eines meiner Highlights des Jahres. Frisch und voller Fantasie und Emotionen.


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