Hedi Schneider steckt fest Deutschland, Norwegen 2015 – 92min.

Filmkritik

Nur einen Tag glücklich sein

Raphaela Dreyfus
Filmkritik: Raphaela Dreyfus

Dass der Aufzug stecken blieb und sich ein Kollege versucht das Leben zu nehmen, lassen die fröhliche Hedi keineswegs so kalt, wie sie dachte. Auf ein Mal ist da dieses ungute Gefühl, das direkt unter der Brust sitzt und langsam anschwillt. Etwa ein Schlaganfall? Die Diagnose: Nur eine "harmlose" Angststörung, die aber gar nicht so schnell wegzukriegen ist. Sonja Heiss schuf mit Hedi Schneider steckt fest eine positiv gestimmte Tragikomödie, die an der Berlinale Premiere feierte.

Hedi Schneider (Laura Tonka) arbeitet Teilzeit in einem Reisebüro und kümmert sich liebevoll um ihre Kleinfamilie bestehend aus Ehemann Uli (Hans Löw) und Sohn Finn - sie schmieden grosse Pläne und wollen bald nach Gambia reisen um dort eine Schule aufzubauen. Bis Hedi fest steckt. Erst nur im Lift, bald auch in ihrem Kopf. Plötzlich leidet sie unter immer wiederkehrenden Panikattacken, denen sie anfänglich mit Todesangst, später mit Psychopharmaka begegnet. Ohne begleitende Therapie schluckt sie Beruhigungsmittel und tanzt berauscht durch die Nacht – um am nächsten Morgen nur noch bedrückter am Boden zu liegen. Ein Teufelskreis aus Panikattacken, Antidepressiva und gut gemeinten Ratschlägen: "Jetzt iss doch mal etwas! Essen hilft."

Ihr Verhalten stösst auf wenig Verständnis – weder ihre Mutter ("Dass Du sowas bekommst, hätte ich nie gedacht"), Finn ("Mama, du bist doof"), noch Uli ("Ich muss mal wieder raus hier") können mit dieser schwierigen und scheinbar ausweglosen Situation umgehen - das Paar distanziert sich weiter und weiter voneinander, wobei Uli Hedi als Selfmade-Therapeut mit Tipps und Übungen gegen die Angst zur Seite zu stehen versucht.

Und so begegnet die Drehbuchautorin und Regisseurin Sonja Heiss, die während des Schreibens des Scripts selbst an einer Angststörung litt, mit leichter Hand diesem schwierigen Thema und schuf eine farbenfrohe, nuancierte Tragikomödie, die dennoch mit dem nötigen Ernst daher kommt. Sie begegnet ihrer hadernden Protagonistin mit Respekt und liebeswürdigem Humor – womit Laura Tonka ganz wunderbar umzugehen weiss.

Das differenzierte Zusammenspiel der Hauptdarsteller macht Freude, und die schrullige Art der Hedi Schneider ist überaus sympathisch. Der Ton, den Sonja Heiss anschlägt ist so positiv, wie er bei diesem Thema sein kann – um Kitsch, oder überschwänglichen Optimismus macht sie einen Bogen.

Mit kleinen, leichtfüssigen Bewegungen und unvermeidbaren Rückschritten entkommt Hedi langsam der Angst vor der Angst und erkennt, was ihr wirklich wichtig ist: ihre Familie. Und so möchte das Paar in ihrem Urlaub in Norwegen schliesslich nur einen Tag glücklich sein, bis zum Eindunkeln – damit man sich ja nicht zu viel vornimmt.

19.02.2024

4

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