Interview

Christian Friedel: «Friedlichen Widerstand leisten»

Stefan Gubser
Interview: Stefan Gubser

Spielt in «Elser» einen Hitler-Attentäter, den auch in Deutschland kaum einer kennt – ausser die Fans von Klaus Maria Brandauer: Christian Friedel über Folterszenen, Platzangst und seine dicke Lippen.

Christian Friedel:  «Friedlichen Widerstand leisten»

Attentäter sein statt Täter: Freut den Menschen im Schauspieler zunächst einfach, dass er zu den Guten gehört?

Das freut einen schon. Obwohl die guten Rollen auch langweilig sein können. Aber wir zeigen Georg Elser als widersprüchlichen Menschen. Ich habe von manchen Damen gehört, dass sie an meinem Elser nicht alles so sympathisch finden.

Dabei zeigen Sie ihn als Mann, der die Frauen liebte!

Als Hallodri! Im Wasser knutscht er die, im Bootshaus küsst er jene. Und er hat das auch sehr genossen, so erzählen wir das jedenfalls. Ich habe mich nach der Premiere in Deutschland mit seinem Neffen unterhalten können. Der sagte, bis auf die dicken Lippen sei ich seinem Onkel sehr nahe gekommen.

Aber da war einfach keine Luft rauszulassen.

(lacht) Ich wurde ja nach meinem ersten Film gefragt, wie ich das mit meinen Lippen bloss hingekriegt hätte. Da habe ich nur gedacht: Willkommen im Film-Business!

Noch ein deutscher Film über das deutscheste aller deutschen Kapitel. Ertappt sogar der Schauspieler sich mal beim Gedanken: schon wieder?

Man hört schon die Leute in Deutschland, die sagen: «Ich kann es nicht mehr hören und sehen!» Wir wählen aber einen etwas anderen Blickwinkel, und es ist wichtig, dass man gerade aus Deutschland heraus auch diese Perspektiven in die Welt setzt. Von einem Mann zu erzählen, der in einer Zeit Widerstand leistet, in der alle sich von der Propagandamschinerie haben einlullen lassen? Das ist eine besondere Geschichte, die man mit jeder Faser seines Körpers unterstützen will.

Bislang kannten diesen Georg Elser vor allem die Fans von Klaus Maria Brandauer. Es war zu lesen, Sie hätten sich dessen Georg Elser – Einer aus Deutschland allerdings nicht angeschaut. Wie geschichtslos darf man sein als Schauspieler?

Wenn man im Theater Hamlet spielt: Ist es dann so klug, sich kurz vorher eine Hamlet-Inszenierung anzuschauen? Sollte die einen beeindrucken, frisst sich das ins Unterbewusstsein ein. Ich will jetzt gar nicht über meine Berufsgruppe lästern: Aber ich merke immer wieder, wie klug sich viele Kollegen geben. Ich gebe gerne zu, dass ich von Georg Elser vorher nichts gehört habe. Ich bin in der DDR aufgewachsen. Als die Wende kam, war ich ungefähr elf, das Schulsystem änderte sich, der Lehrplan änderte sich, aber Elser war kein Thema. Weder vorher noch nachher.

Schrecklicher Verdacht: Schauspieler sind Angeber?

Ich mache wie andere Kollegen ja auch Musik. In dieser Ecke gibt's ganz viele, die politische Ansagen machen. Da halte ich mich zurück. Weil ich denke, ich muss mich noch ein bisschen mehr auskennen, bevor ich mich aus dem Fenster lehne. Und ich weiss auch nicht, ob es notwendig ist, zu jeder Sache seinen Senf dazuzugeben.

Politisch unverfängliche Frage an den Schauspieler Friedel: Georg Elser war Schwabe – Sie verpassen ihm aber Ihr astreines Bühnendeutsch. War das Schwäbeln für den geborenen Magdeburger schlicht zu schwierig?

Wir haben uns entschieden, die Hauptfiguren hochdeutsch sprechen und nur das Umfeld schwäbeln zu lassen. Der schwäbische Dialekt ist ja in Deutschland nicht besonders beliebt. Und man sollte Georg Elser auch als universellen Deutschen sehen können. Aber auch klar: In Deutschland ist es nicht wie in Hollywood, wo man auch elbisch lernt. (lacht) Dafür fehlt uns leider das Geld und die Zeit.

Die Folterszenen – so etwas wie der blutrote Faden durch den Film: Wie schwierig war es, sich in den Eimer zu übergeben, den die Nazis Ihnen fein säuberlich hinstellten?

Oliver Hirschbiegel hat mir vor dem Drehen Jean Amérys Kurzgeschichte «Die Tortur» zu lesen gegeben, um einen Eindruck von diesen Greueltaten zu kriegen. In dem Text beschreibt Améry die Foltermethoden der Gestapo, die er durchleben musste.

Nachzuempfinden, welche Ängste und Qualen ein Mensch wie Améry oder Elser erlitten haben muss: Das schafft noch der furchtloseste Method Actor nicht ansatzweise?

Niemals. In der Zwangsjacke, die ich in einer Szene trage, habe ich extrem Platzangst bekommen, davon aber niemandem etwas gesagt, weil ich dachte: Elser wusste auch nicht, was auf ihn zukommt. Aber ich habe mich dem wirklich gerne ausgesetzt, auch wenn sich das blöd anhört. Nicolas Cage hat sich für Birdy damals angeblich einen Zahn ziehen lassen, um diese Kriegsgreuel nachzuempfinden.

Er hat sich nie wieder ganz erholt davon.

So weit muss man nicht gehen. (lacht) Mir war es schon wichtig, mich dem auszusetzen. Woher soll ich sonst wissen, wie das ist? Aber ich sehe das immer noch mit dem Abstand des Schauspielers.

Was Schauspieler gerne sagen: Diese Rolle hat mich verändert. Was ist für Sie seit Elser anders?

Wir sind mit meiner Band in Dresden an einem Konzert für Toleranz und Weltoffenheit aufgetreten. Da merkt man dann plötzlich, wie man anders formuliert und anders über die Dinge nachdenkt. Ich habe im Film die Szene, in der ich die Dorfgemeinschaft beim «Sieg heil» rufen beobachte. Wenn ich in Dresden sehe, wie die Leute von rechts mobilisiert und instrumentalisiert werden, stellt sich ein ähnliches Unbehagen ein. Da merkt man, dass das nachwirkt und man in kleinen Schüben das Gefühl hat, man möchte etwas tun. Man möchte einen friedlichen Widerstand leisten.

Es gibt diese Über-Rollen, auf die man als Schauspieler ein Leben lang festgelegt wird. Wie gross ist die Angst, diesen Elser nie wieder loszuwerden?

Fragen Sie mich das bitte in zehn Jahren nochmal, wenn ich als James Bond den Georg Elser nicht mehr loswerde. (lacht)

17. April 2015

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