Taking Woodstock USA 2009 – 121min.

Filmkritik

Chaos auf der Kuhweide

Thomas Hunziker
Filmkritik: Thomas Hunziker

1969 wurde in Woodstock Musikgeschichte geschrieben. Die Geschichte hinter diesem legendären Konzert schildert Ang Lee aus der Perspektive eines jungen Mannes aus der Provinz, der durch den überwältigenden Anlass zu sich selbst findet. Ein reizvoller, aber nicht wirklich ergiebiger Ansatz.

Das El Monaco Motel in der kleinen Ortschaft White Lake hat schon bessere Zeiten gesehen. Kein Wunder, tauchen immer seltener Gäste auf. Elliot Tiber (Demetri Martin) versucht dennoch mit allen Mitteln, das finanzielle Überleben des Motels seiner Eltern Jake (Henry Goodman) und Sonia (Imelda Staunton) zu sichern. Im Sommer 1969 soll ein kleines Theater- und Musikfestival die Gäste aus New York anlocken. Da hört Elliot, dass die Nachbargemeinde Wallkill ihre Erlaubnis für das alternative Woodstock-Konzert entzogen hat. Elliot kontaktiert den Organisator Michael Lang (Jonathan Groff) und bietet ihm das Gelände um das Motel als Veranstaltungsort an. Damit beginnen die Probleme aber erst.

Auch wenn der Anlass im Titel erwähnt wird, ist «Taking Woodstock» keineswegs die Geschichte des einzigartigen Konzerts. Vielmehr schildern Regisseur Ang Lee und Drehbuchautor James Schamus einfühlsam die Selbstfindung eines verwirrten Vorstädters. Das Konzert bildet die Kulisse für die Emanzipation des schüchternen Mannes. Durch diesen Zugang verliert der Konzertanlass selbst seine Bedeutung und der Film auch ein wenig seine Spannung. Die übergeordnete Perspektive löst sich im Mikrokosmos des Individuums auf.

Diese Herangehensweise an das Thema ist durchaus berechtigt und könnte fruchtbar ausgewertet werden. Doch Lee und Schamus verlieren sich zu stark im trüben Familienkonflikt, der zu klischiert geschildert wird. Vor allem die Mutter bleibt lediglich die Karikatur einer stereotypischen Jüdin. Das verhindert die Anteilnahme am Schicksal von Elliot.

Die fehlenden Zwischentöne können zumindest teilweise durch die Leistungen der Schauspieler ersetzt werden. Doch ausgerechnet von seinem Hauptdarsteller erhält Lee wenig Unterstützung. Demetri Martin hat zu wenig Ausstrahlung, um die Handlung zu tragen. In nennenswerten, teilweise aber auch zu wenig ausgeschöpften Nebenrollen tauchen Emile Hirsch, Paul Dano, Mamie Gummer (die Tochter Meryl Streeps) und Jeffrey Dean Morgan auf. Überstrahlt werden diese Auftritte vom vollkommen uneitlen Liev Schreiber, der als Ex-Marine und Transvestit allen die Schau stiehlt.

17.02.2024

3

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Kommentare

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weinberg10

vor 9 Jahren

Habe mir da etwas Tiefgründigeres vorgestellt. Toll war die Livemusik im Unterwerk Selnau.


dreischer

vor 14 Jahren

Tja, der Film hat irgendwie mehr versprochen als er halten konnte. Zu langatmig, eine zu grantige "Mama", jedoch gut gespielt. Das einzige was interessant war, jetzt zu wissen, wie gemein schon früher die Anzugtypen waren. Die Musiker wurden plötzlich nur noch zu Nebendarstellern. LSD hat dann vielleicht 10% gezeigt, wie es damals abgegangen sein muss, aber doch zu wenig um ganz überzeugt zu sein.Mehr anzeigen


Gelöschter Nutzer

vor 14 Jahren

Egal was Ang Lee auch anfasst: er verwandelt alles zu bestechender cineastischer Kunst. Die Anfangssequenz mit den Lavendelfeldern und den trägen Klezmerklängen ist ein Geniestreich (nur schon deswegen lohnt sich 'Taking Woodstock'); die sichtbar gemachte LSD-Erfahrung ein visueller Rausch. Die Detailtreue der Hippie-Ära betörend.
Grossartig.Mehr anzeigen


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