Effi Briest Deutschland 2008 – 117min.

Filmkritik

Weg vom gesellschaftlichen Zwang

Andrea Lüthi
Filmkritik: Andrea Lüthi

Hermine Huntgeburth ("Die weiße Massai") versucht, Theodor Fontanes Klassiker "Effi Briest" zu modernisieren - nur halbherzig, aber mit grandiosen Schauspielern.

Baron von Innstetten ist eine gute Partie, findet Effis Mutter. Deshalb soll die lebhafte 17-jährige ihn heiraten. Und weil der gesellschaftliche Status das Wichtigste ist, willigt Effi ein - ohne Innstetten richtig zu kennen. Mit ihrem Ehemann zieht sie in das unheimliche Haus in Kessin, wo es ringsum nur Sanddünen, Meer und ein Chinesengrab gibt. Effi ist einsam, auch nach der Geburt ihrer Tochter. Einzig Apotheker Gieshübler nimmt ihre Sehnsucht nach Unterhaltung und Anregung ernst. Und im Lebemann Major Crampas findet Effi, was Innstetten ihr nicht bieten kann. Die heimliche Affäre ist kurz, und als die Innstettens nach Berlin ziehen, ist Effi erleichtert. Doch Jahre später kommt alles ans Licht, und Effi wird verstoßen.

Theodor Fontanes Klassiker ist dicht an Bildern und Anspielungen, die auf Effis Zustand und die Spannung zwischen Natur und Ordnung, Gesellschaft und Individuum hindeuten. 1974 ist es Rainer Werner Fassbinder mit "Fontane Effi Briest" gelungen, die bilderreiche Sprache mit Kadragen, Kameraführung und Figurenkonstellation in eine filmische zu übertragen.

Um nicht mit dieser Effi-Briest-Verfilmung par excellence verglichen zu werden, musste Hermine Huntgeburth einen anderen Weg wählen. Zwar bleibt sie dicht an der Romanvorlage, wo man aber bei Fontane zwischen den Zeilen lesen muss, wird Huntgeburth konkret. Bereits die Hochzeitsnacht mit Innstetten etwa zeigt sie schmerzhaft unbeschönigt und direkt, umso stärker ist das erotische Knistern, wenn Crampas und Effi in einem Bootshaus regelrecht übereinander herfallen.

Der Verzicht auf Unterschwelliges, auf Anspielungen macht Effi zwar fassbarer, aber auch eindimensional. Das liegt jedoch nicht an Julia Jentsch, die Effis überbordende Gefühlswelt so facettenreich wiedergibt. Auch die anderen Rollen sind perfekt besetzt - etwa Misel Maticevic als Crampas mit sprühendem Schalk in den Augen und Sebastian Koch als Innstetten, der widersprüchliche Gefühle auslöst; trägt er doch für einmal nicht nur abstoßende Züge.

Den überraschendsten Eingriff in die Literaturvorlage wagt Huntgeburth zum Schluss: Effi nämlich lässt sich von der Gesellschaft nicht zugrunde richten; sie begehrt auf. Dieses "Ihr könnt mich alle mal" ist erfrischend und zugleich kühn. Doch bleibt Effis Wandel wenig nachvollziehbar. Innerhalb kurzer Zeit wird sie von der melancholischen, hilflosen Kindfrau zur emanzipierten Frau, die genau weiß, was sie will. Huntgeburth strebte einen zeitgemäßen Schluss an. Damit rückt sie auch die ganze Thematik in die moderne Zeit. Doch bleibt der Film im Realismus verhaftet, ohne Bezug zur Gegenwart. Inwiefern die heutige Gesellschaft auf das Individuum einwirkt, ist eine durchaus interessante Frage. Um ihr aber Gewicht zu verleihen, hätte der Film sich stärker von der Romanvorlage wegwagen müssen.

28.05.2013

3

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Kommentare

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Patrick

vor 12 Jahren

Darstellerisch und von den Kostümen her ist der Film ziemlich io, aber die Story kommt zu steif und auch etwas langweilig daher.


cineast2001

vor 15 Jahren

Ja, um es gleich vorweg zu sagen, diese Adaption eines der wichtigsten und „berühmt- berüchtigtsten“ Romane von Theodor Fontane, mit dem man seit Jahrhunderten die deutsche Schülerschaft „quält“ kommt einer Bücherverbrennung gleich!
Auch ich durfte in den Genuss dieses Romans als Schüler kommen und ich habe ihn lieben gelernt.
Hätte ich diesen Schund zu erst gesehen, hätte ich dieses Buch weggeschmissen und nie lesen wollen.

Es gibt schon so viel bessere Verfilmungen dieses Stoffes, warum diese nun??

Natürlich kommt jetzt wieder der Aufschrei, das Filmadaptionen den Büchern nie gerecht werden und können, aber was Hermine Huntgeburth hier als Regisseurin abgeliefert hat ist geradezu eine Schande.

Die Regisseurin Hermine Huntgeburth hat mit Barbara Auer, Julia Jentsch, Sebastian Koch usw. meiner Meinung die „Creme de la Creme“ der deutschen Schauspieler auf zu bieten doch verschenkt sie sowohl das schauspielerische Potential ihrer Akteure als auch die Geschichte.
Die Regisseurin ist sich nicht im Klaren, was sie dem Kinogänger erzählen will!
Der Schnitt des Films erscheint mir langweilig und uninspiriert. Die Musik ist langweilig und einschläfernd.

Auch bleibt die Frage offen, warum dieser Film in CinemaScope gedreht wurde?? Abgesehen von einigen Landschaften werden nur sog. „Close-Ups“ gezeigt.

Fazit: Wieder ist große Deutsche (Schul-) Literatur schlecht verfilmt worden. Setzen Sechs, Frau Huntgeburth.
Obgleich die Schauspieler ihr bestes geben um diesen Film zu retten und die Hauptschuldigen für dieses Desaster sowohl die Regisseurin als auch der Drehbuchschreiber sind kann ich leider nur 2 M&M’s geben!

Auch für diese Filmbesprechung gilt: Frei Schnauze ich schreibe was ich denke. Der Rest Deiner Wahrnehmung oder Interpretation entspringt.Mehr anzeigen


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