XXY Argentinien, Frankreich, Spanien 2007 – 91min.

Filmkritik

Wechselbad der Gefühle und Geschlechter

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Ein Mädchen entwickelt sich maskulin. Die Eltern wollen ihre 15jährige Tochter schützen und erwägen eine Operation. Lucias Puenzos schlichtes einfühlsames Melodrama, ausgezeichnet unter anderem in Cannes, Edinburgh, Athen und Montreal, beschreibt Ängste, Zorn, Zweifel und Unsicherheit eines intersexuellen Menschen.

Eine raue Landschaft. Schroffe Küste, stürmische Winde, karger Boden. Kraken (Ricardo Darín) und Suli (Valeria Bertuccelli) haben Buenos Aires verlassen und sich an der Küste Urugays niedergelassen. Sie haben einen gewichtigen Grund: ihre 15jährige Tochter Alex (Inés Efron). Sie ist anders - auf der Schwelle zum Erwachsenwerden und zum Mann. Die Eltern wollen sie schützen, wollen helfen und haben den befreundete Chirurgen Ramiro (Germán Palacios) samt Familie eingeladen. Wäre ein chirurgischer Eingriff sinnvoll? Soll Alex Mann oder Frau werden?

Der Filmtitel "XXY" über einen intersexuellen Menschen, eben Alex, erweist sich als problematisch und verfänglich. Er suggeriert, so wurde von der Organisation Intersex moniert, dass es in diesem Film um das sogenannte Klinefeltern Syndrom (XXY) geht, nämlich um einen Knaben, der an reduzierter Testeronproduktion leidet und nicht zeugungsfähig ist. In solchen Fällen werden keine genitalen Operationen durchgeführt (Informationen: http://klinefelter.ch). Alex hat jedoch das adrenogenitale Syndrom (AGS), sie besitzt Eierstöcke, Gebärmutter und Genitalien. Sie ist zweigeschlechtlich, und diese Entwicklung thematisiert Lucía Puenzos einfühlsames Melodrama.

Alex verguckt sich in den Burschen Alvaro (Martin Piroyansky), der mit seinen Eltern zu Besuch ist. Alvaro hat sich verliebt. Es kommt zum Liebesakt. Zuerst ein Schock für ihn, als er ihre Männlichkeit entdeckt. Dann die "Erleuchtung", sein Outing. Schlimm wird's, als eine Jungengruppe aus dem Fischerdorf Alex in die Enge treibt und bloss stellt - als zweigeschlechtliches Wesen.

Ohne falsche Scheu und Schaulust beschreibt die 32jährige Filmerin aus Buenos Aires, wie ein junges Mädchen ihre Sexualität erfährt - zwischen Unsicherheit, Zweifel und Ächtung. Sie wird von der Bevölkerung als "nicht normal" taxiert. Um einen zweigeschlechtlichen Menschen zu normen, werden brutale chirurgische Eingriffe und Umwandlungen vorgenommen, oft mit irreversiblen körperlichen Folgen. Doch der behutsame liebevolle Film geht über die Thematik der Intersexualität hinaus, er ist auch ein Plädoyer für Toleranz. Selbstfindung und Selbstverwirklichung. Ines Efrons Darstellung als getriebenes verletztes Wesen mit verschiedenen Geschlechtsausprägungen ist grossartig und intensiv. Eine bewegende Studie auch über verwirrende Gefühle, Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Akzeptanz.

17.02.2024

4

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Kommentare

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19angel88

vor 15 Jahren

ich finde es super, dass solche Themen vermehrt angesprochen werden!


sue27

vor 15 Jahren

Mir hat der Film überhaupt nicht gefallen, ich bin enttäuscht! Dieser Film hat keine richtige Handlung, keinen Schluss, die Personen reden praktisch nichts miteinander. Einzig das schauspielerische Talent der Charakteren finde ich sehr gut. Sorry, dieser Film verspricht zuviel. Ich kann ihn nicht empfehlen.Mehr anzeigen


Patrick

vor 15 Jahren

Danke für die aufklärung ich habe den Film Transamerika gesehen und der hat ein änliches Tema wie XXY(einfach nicht so dramatisch) deswegen habe ich dass unten(unter Patrick) so geschrieben.
Ich werde mich aber Torztem noch schlau machen.
Dir und allen andern CINEMANFANS viel Spass im Kino.Mehr anzeigen


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