Der fliegende Händler der Provance Frankreich 2007 – 96min.

Filmkritik

Der fliegende Händler der Provence

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Wenn das Gewöhnliche zum Aussergewöhnlichen wird, geht's meistens um Horror und/oder Fantasy oder um Liebe. Eine Liebeserklärung inszeniert Eric Guirado - an die Provinz (Rhône-Region), ihre Bewohner, an einen verloren geglaubten Sohn und die Schönheit des Gewöhnlichen.

Faszinierende Schauplätze, spektakuläre Szenen, melodramatische Auseinandersetzungen, Stars und Emotionen - das sind Zutaten erfolgsversprechender "Hollywood-Kisten". Von all dem findet sich nichts in Eric Guirados Provinzromanze "Le fils de l'Epicier", sieht man mal von den Gefühlen ab. Und doch kann auch so ein kleiner Film kann amüsieren, verführen und die Leinwand gewinnen.

Die Provinz ruft, und der 30jährige Single Antoine (Nicolas Cazalé) folgt ihrem Ruf. Genauer gesagt: Der Junggeselle erhört den Hilferuf seiner Mutter (Jeanne Goupil), nachdem sein Vater (Daniel Duval) eine Herzattacke erlitten hatte. Antoine hatte vor zehn Jahren sein Heimatdorf fluchtartig verlassen und schlug sich seither mehr recht als schlecht als Kellner in einer Grossstadt durchs Leben. Seine Nachbarin Claire (Clotilde Hesme) bietet sich als Begleiterin an. Sie will sich auf dem Land auf Prüfungen vorbereiten. Er, der sie heimlich liebt, ist beglückt, zeigt dies aber nicht. Und so kutschiert Antoine mit seinem altmodischen Verkaufswagen mehr mürrisch denn freundlich durch die Rhône-Lande. Er ist ruppig, schlecht gelaunt und abweisend. Erst die abgetakelte Lady Lucienne (Liliane Rovère) liest ihm die Leviten. Claire tut ihr Übriges, um sein verhärmtes Gemüt aufzuweichen und seinen Blick für die Menschen in dieser alpinen Region zu schärfen.

Es sind kleine Gesten, Zeichen und Begegnungen, die dem "fliegenden Händler" wider Willen das Herz öffnen. Als sich der Krämersohn die verschütteten, begrabenen Gefühle zu seiner Heimatregion und den Menschen stellt, sie wahrnimmt und respektiert, kann er sich auch zu seiner Familie und zur Freundin Claire bekennen. Eric Guirado, der mehrere Dokumentarfilme über die Regionen Rhônes-Alpes und Auvergne, über fahrende Krämer und andere Wandergesellen drehte ("Les camions épiciers"), lieferte mit "Le fils de l'Epicier" seinen zweiten langen Spielfilm. Er selbst ist auf dem Lande aufgewachsen, ihm gelingt es in seiner luftig-lockeren Sommerromanze den Charme der Provinz und seiner originellen Bewohner einzufangen. Diese manchmal kauzigen Menschen, so Guirado, gingen einem gleichzeitig auf die Nerven und berührten. Sein Film ist eine sommerliche Ode an Land und Leute der Rhône-Region, an aussergewöhnliche Figuren, die sich treu blieben. Sein humorvolles Plädoyer für das Aussergewöhnliche im Gewöhnlichen wird von einem liebenswürdigen Schauspielerensemble getragen. Seine Romanze mutet wie ein Dokument an und ist gleichzeitig ein filmischer Flirt.

24.10.2014

4

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Kommentare

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Gelöschter Nutzer

vor 14 Jahren

Die dargestellten Charaktere sind etwas sperrig und spröde, oftmals sogar recht mürrisch ganz im Gegensatz zu der Landschaft, in der sie agieren. Sie lassen keine Nähe zu und so fühlt sich der Zuschauer eher ausgesperrt. Und wenn es ansatzweise doch gelingt, dem herben Charme etwas abzugewinnen, verhindern sprunghafte Schnitte die Handlung anteilnehmend nachzuvollziehen. Das vorhersehbare Happy End kommt wohl erst zustande, nachdem der Abspann gelaufen ist. Man schaut und schaut und sagt am Ende ’Abbutze! Fertig! ’ So hinterlässt der Film keinen bleibenden Eindruck.Mehr anzeigen


güx

vor 15 Jahren

Bei aller Liebe zu gemächlich erzählten Geschichten: "Le fils de l'epicier" lässt sich eindeutig zu viel Zeit. Die Ausgangslage ist sehr gut und die Schauspieler überzeugen auch; diese Voraussetzungen werden aber leider nicht für die Erzählung einer interessanten Story genutzt. Ich sass im Kino und dachte etwa im 2-Minutentakt: Jetzt wird der Film dann gleich losgehen. Stattdessen plätschert er dahin, ohne irgendeine konkrete Handlung zu verfolgen. Fast scheint es so, als habe der Regisseur selbst nicht gewusst, worauf er hinaus will. Der Film berührt nicht und ist langweilig, bleibt nicht im Gedächtnis haften: Daher nicht empfehlenswert.Mehr anzeigen


fraenzi

vor 16 Jahren

So vielversprechend der Titel, so enttäuschend die Geschichte... man nimmt die sich entwickelnde Liebe zwischen dem 'schüchternen' Schönling und der etwas gar naiven Claire nicht wirklich ab. Die schrulligen Nebenfiguren und die Szenen einer unversöhnten Familien gehören zu den besten Momenten im Kino... leider!Mehr anzeigen


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