The Wind That Shakes the Barley Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, Spanien, Grossbritannien 2006 – 127min.

Filmkritik

Guerilla-Krieg und Bruderzwist

Filmkritik: Eduard Ulrich

In klassischer Manier wendet sich Ken Loach einem dunklen Kapitel der englischen Vergangenheit zu, um indirekt die aktuelle englische Irak-Politik zu kritisieren. Seine brisante These: Ein Guerilla-Krieg gegen die Besetzer ist legitim. Prädikat: pädagogisch wertvoll.

Wer hätte gewusst, dass Irland bis 1921 eine englische Kolonie war? Tatsächlich führte erst ein Unabhängigkeitskampf zum Friedensabkommen von 1921, das der englischen Weltmacht auch in Zukunft weitreichende Befugnisse einräumte und Nordirland definitiv abspaltete, aber den Hauptteil der Insel von englischen Truppen befreite. Dieses Abkommen war damals in Irland heftig umstritten und entzweite die Nation. Es kam sogar zum Bürgerkrieg. Der Stoff bietet alles, wofür der sozialkritische Autorenfilmer Ken Loach bekannt und beliebt ist, der gern Unterdrückung und Ausbeutung anprangert. Neben der militärischen Überlegenheit halten die Engländer nämlich noch die wirtschaftlichen Trümpfe in der Hand, weil die meisten Grossgrundbesitzer mit ihnen zusammenarbeiten. Die Folgen waren seit vielen Generationen Armut, Hunger und Auswanderung. 1917 ergreifen in Russland die Bolschewisten die Macht, aber auch in Irland macht das revolutionäre Gedankengut die Runde, und es entsteht die Vision einer egalitären Gesellschaft.

Stellvertretend für viele widmet sich Loach einer kleinen Gruppe junger Erwachsener, die sich trotz ihres unterschiedlichen Hintergrunds zum bewaffneten Widerstand zusammenschliessen. Er begleitet sie über die hitzigen Diskussionen anlässlich des Friedensabkommens hinaus bis in den Bruderkrieg. Mit sparsamen Mitteln an Personal und Ausstattung stellt er dabei die emotionalen Hürden und Lasten in den Mittelpunkt und verzichtet weitgehend auf massenwirksame Gewaltszenen.

Das homogene Ensemble spielt selbst in den heiklen Szenen persönlicher Zerissenheit natürlich, nur die einzige Liebesbeziehung bleibt leider blosse Behauptung, was kaum daran liegt, dass das erbärmliche Geschäft des Tötens allen einen Gefühlspanzer wachsen lässt. Ich habe den schmucken, aber zurückhaltenden Cillian Murphy (als Damien) in Verdacht - das tut dem Film aber keinen Abbruch, denn das Thema ist definitiv nicht das Privatleben sondern die Politik, und die kommt mustergültig exemplarisch zur Geltung. Das ist kein bequemer Film, sondern einer der hinschaut, wenn es weh tut, ohne die Gewalt zu verherrlichen, ohne einfache Lösungen zu präsentieren und ohne billig Partei zu ergreifen. Diese Ohrfeige für Blair Tony wurde 2006 mit der Goldenen Palme in Cannes belohnt.

10.11.2020

4

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Kommentare

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Klaus1108

vor 17 Jahren

Die Unterdrückung der irischen Freiheitsbewegung durch die Engländer wird hier auf erschreckende und Weise gezeigt. Die Szenen mit den Folterungen sind kaum erträglich. Der Film erinnert mich an "Land and Freedom", einen Ken Loach-Film aus den 1990er Jahren über britische Freiwillige, die im Spanischen Bürgerkrieg gegen die Faschisten kämpften. "Land and Freedom" fand ich noch etwas besser. Trotzdem ist "The Wind That Shakes the Barley" ebenfalls sehenswert und beeindruckend.Mehr anzeigen


cineast2001

vor 17 Jahren

Was für ein Film! Wieder übertrifft sich Ken Loach, der für diesen Film die "Palm D'or" von Cannes zu Recht gewann, selber.
Wieder packt er einen historische Konflikt, ähnlich wie in "Land and Freedom" und "Carla's Song", und die daraus entstehenden zwischenmenschlichen Beziehungen sensible an und setzt sie wie immer gekonnt in Szene. Zwar ohne zu provozieren bzw. Partei zu ergreifen, sich aber doch subtil einsetzend für die einfachen Menschen, um die es ihn in seinen Filmen hauptsächlich geht, und die politische Situation in der sie Leben zu werben und etwaiges Unrecht aufzuzeigen.
Durch diesen Film schwingt, nicht nur durch das immer "schlechte Wetter" in Irland: o), eine gewisse permanente Schwermut und Traurigkeit da seine Inszenierung kaum positive Momente zulässt.
Natürlich handelt es sich bei diesem Thema, Unterdrückung der Iren durch das machtgierige damalige englische Empire, um ein sehr ernstes und trauriges Thema, aber selbst die kurzen Momente des Glücks und der Liebe werden durch diese "irische Schwermütigkeit" nicht zur Geltung gebracht!
Auch ist die Kritik an das England eines Tony Blairs nicht zu übersehen. Der gewinn der "Palm D'or" ist beinahe eine Provokation gegenüber Tony Blair. Aber eine richtige!!
EIN GR0SSER KEN LOACH FILM! MIT EINER DER BESTEN FILME DIESES JAHRES!! A MUST SEE!!Mehr anzeigen


vivianafilm

vor 17 Jahren


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