Look Both Ways Australien 2005 – 100min.

Filmkritik

Entgleisungen

Andrea Lüthi
Filmkritik: Andrea Lüthi

Der erste abendfüllende Spielfilm der Australierin Sarah Watt überzeugt in jeder Hinsicht - und verweist auf die Herkunft der Regisseurin aus dem Animationsfilmbereich.

An einem Freitag erfährt der Fotograf Nick, dass er Hodenkrebs hat. Zur gleichen Zeit kehrt die Illustratorin Meryl von der Beerdigung ihres Vaters zurück und muss auf dem Heimweg mit ansehen, wie ein Mann unter einen Zug gerät. Nick wird zusammen mit dem Journalisten Andy für Fotos und eine Reportage an die Unfallstelle geschickt und trifft dort auf Meryl, einen schockierten Lokführer und die Frau des Getöteten.

Das Zugsunglück wird zum Punkt, von dem aus sich die Geschichten der einzelnen Figuren ausbreiten: Sie alle haben mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen - der Lokführer findet den Draht zu seinem Sohn nicht und schweigt sich über das Unglück aus, Andy kommt mit der Schwangerschaft seiner Freundin nicht zurecht, Nick ist mit seiner Krebserkrankung und Meryl mit dem Tod ihres Vaters und ihrer finanziellen Situation beschäftigt.

Vor dem Unglück noch wird der Montag von allen mit Sorge erwartet: Nick soll dann mehr über seine Krankheit erfahren, Meryl muss bis dahin ihre Illustrationen abliefern, wenn sie ihren Job nicht verlieren will, und Andy muss sich entscheiden, wie er zu seiner Freundin steht.

Doch dann nimmt ihr Leben bereits am Wochenende einen anderen Verlauf: Durch den Zugsunfall beginnen sich alle mit ihren Problemen und ihrem Lebenssinn auseinanderzusetzen, und in jedes Schicksal spielt in das einer anderen Figur rein. Nick ist fasziniert von Meryls aussagestarken Bildern, und sie wiederum findet bei ihm Verständnis für ihre Zwangsvorstellungen: Wenn sie Menschen sieht, muss sie sich ständig deren Tod ausmalen. Seit Nick von seiner Krankheit weiss, geht es ihm ähnlich; dennoch verschweigt er Meryl seine Diagnose, was die entstehende Beziehung beinahe scheitern lässt.

Jump Cuts und Crash zooms betonen die innere Aufgewühltheit der Figuren; originell ist aber vor allem, wie Meryls und Nicks Gefühlswelten parallel zu ihren Berufen ausgedrückt werden: Handgezeichnete Animationen wiedergeben Meryls Innenleben, Nick dagegen lässt sekundenschnell in Schnappschüssen sein Leben passieren, als er von der Krebserkrankung erfährt. Hollywoodmontagen veranschaulichen auch seine Zukunftsvorstelllungen und -ängste, und die Mikroskopaufnahmen machen auf bewegende Weise deutlich, wie die Krankheit ihn vereinnahmt und sein Denken und Handeln steuert.

Gegen die leuchtend farbigen Animationen wirken die grünblau und braun dominierenden Aussenaufnahmen wie von der erbarmungslos niederbrennenden Sonne ausgebleicht. Mit dem erlösenden grossen Regen aber folgt die Befreiung; Zuversicht zeichnet sich ab, und die Figuren sind bereit, einen neuen Anlauf zu wagen.

"Look Both Ways" geht unter die Haut, lässt einen aber trotz der melancholischen Grundstimmung nicht in Schwermut versinken. Und an den komischen Momenten lässt sich noch erahnen, dass der beeindruckende Film ursprünglich als Komödie geplant war.

16.09.2021

5

Dein Film-Rating

Kommentare

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung

sibue

vor 17 Jahren

ein feiner, wunderbarer film - tragisch, poetisch, manchmal lustig und mit einer klaren (aber nicht aufdringlichen) botschaft: trotz all dem schrecklichen, was täglich (überall) passiert, die hoffnung nicht verlieren, etwas wagen und einfach versuchen, das beste zu geben - mit dem risiko, auch mal zu verlieren. gut gespielt, glaubwürdig und die animationen sind genial - find ich jedenfalls.Mehr anzeigen


Mehr Filmkritiken

Challengers - Rivalen

Kung Fu Panda 4

Civil War

Back to Black