Brudermord Frankreich, Deutschland, Luxemburg 2005 – 95min.

Filmkritik

Auge um Auge, Zahn um Zahn

Monique Brunner
Filmkritik: Monique Brunner

Spätestens seit Fatih Akins Film «Gegen die Wand» sind Immigrationsfilme von türkischstämmigen Deutschen in Europa in aller Mund. Die Migrations-/Integrations-Thematik ist auch Hintergrund für das Drama «Fratricide» von Yilmaz Arslan.

Der in der Türkei geborene Regisseur Yilmaz Arslan zeigt in archaischen Bildern die Odyssee des jungen Kurden Azad (Erdal Celik), der seine Familie und die karge Heimat in der Hoffnung auf ein finanziell gesichertes Leben verlässt und seinem Bruder Semo (Nurettin Celik) nach Deutschland folgt. In Berlin angekommen muss er ernüchtert feststellen, dass sich sein Bruder als Zuhälter auf dem Strassenstrich durchschlägt. Azad mag kein «schmutziges Geld» verdienen, daher verdingt er sich als Barbier für Landsleute im Klo einer türkischen Imbissbude. Als der etwas jüngere kurdische Waise Ibo (Xewat Gectan) im Flüchtlingsheim sein Zimmerpartner wird, entwickelt sich eine enge Freundschaft zwischen den beiden Glücksuchern.

Als Azad sich eines Abends während einer U-Bahn-Fahrt mit dem türkischen Secondo-Brüderpaar Ahmet (Oral Uyan) und Zeki (Bülent Büyükasik) und dessen aggressiven Pitbull-Weibchen anlegt, löst er damit ungeahnt einen tödlich endenden Zwist aus. Bereits am nächsten Tag nämlich trifft Azad zusammen mit seinem Bruder Semo wieder auf Ahmet und dessen Pitbull. Es kommt zu Tätlichkeiten; in Notwehr sticht Semo Ahmet in den Unterleib, worauf der Hund die herausquellenden Eingeweide seines Meisters herausreisst und auffrisst. Ahmet stirbt, und schnell finden sich Azad und Semo auf der Flucht vor der Polizei. Gleichzeitig schwört Ahmets Bruder Zeki Rache und tritt eine Lawine von brutalen Vergeltungsaktionen los, die Azad in einen tödlichen Strudel ziehen.

Der türkischstämmige Regisseur und Drehbuchautor Yilmaz Arslan setzte sich bereits in seinen vorangegangenen zwei Spielfilmen mit Randgruppen auseinander: In «Der lange Gang» (1992) thematisierte er u.a. das Sexualleben von jungen Behinderten. In «Yara» (1998) die Geschichte einer jungen Deutschtürkin, die wegen einer psychischen Erkrankung in die Türkei verfrachtet wird, prangerte Arslan die patriarchalischen Verhältnisse in der Türkei beziehungsweise das archaische Denken vieler Auslandtürken an. Beide Filme wurden ausgezeichnet. Aber auch «Fratricide» bekam Lorbeeren: 2005 erhielt das Immigrationsdrama am Filmfestival in Locarno den Silbernen Leoparden.

«Fratricide» ist ein archaischer Film, der sich kritisch mit den Problemen der Immigration und Integration von jugendlichen Ausländern auseinandersetzt und dabei zeigt, dass diese Jungen neben dem täglichen Überleben mit Konflikten aus dem Herkunftsland zu kämpfen haben. Da das Drama gnadenlos die Mechanismen von Rache, Gewalt und Gegengewalt aufzeigt, schreckt Yilmaz Arslan auch nicht vor teils brutalen Bildern zurück.

07.06.2021

4

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