CH.FILM

Delwende Burkina Faso, Frankreich, Schweiz 2005 – 89min.

Filmkritik

Mutiges Mädchen

Filmkritik: Irene Genhart

Der fünfte Spielfilm von S. Pierre Yaméogo ist eine utopisch anmutende Fabel über eine junge Frau aus Burkina Faso, die dem in ihrem Dorf herrschenden Machismo und Aberglaube couragiert die Stirn bietet.

Es klingt in den Ohren aufgeklärter Menschen ungeheuerlich, aber in Burkina Faso, der Heimat von S. Pierre Yaméogo, glaubt man auch zu Beginn des 3. Jahrtausends noch an Hexen. Schlimmer noch: Häufen sich in einem Dorf unerklärliche Ereignisse, wird durch Befragung eines uralten Orakels eine Frau zur Hexe erkoren, in der Folge verstossen und vertrieben; in Ouagadougou gibt es noch heute vom Staat unterhaltene Heime für als Hexen verstossene Frauen.

Vor ungefähr zwei Jahren hat Yaméogo, ein aus Burkina Faso stammender, seit einigen Jahren aber zwischen Frankreich und seiner Heimat pendelnder Filmemacher, für den TV-Sender France 2 eine Reportage über diese der Hexerei bezichtigten Frauen aus Burkina Faso gedreht. Da er sich in dieser TV-Reportage an starre Vorgaben zu halten hatte, gerne aber weiter gegangen wäre, beschloss er das Thema in einem unabhängig gedrehten Spielfilm eingehender abzuhandeln. So entstand "Delwende - Lève toi et marche", ein Film der unvoreingenommen betrachtet aufs Erste höchst bizarr wirkt. Bizarr, weil er sich ganz der gradlinigen, schnörkellosen aber auch betulichen Erzählweise des westafrikanischen Kinos bedient und zumindest in seinem minutenlang eine groteske Dorfidylle beschwörenden Anfang den muffigen Charme eines Ethno-Movies aus den 60er Jahren verströmt.

Im Zentrum der Story steht vorerst die 16-jährige Pougbila. Unter den begehrlichen Blicken der jungen Männer, scharf beobachtet von ihrem Vater, führt sie zusammen mit anderen Mädchen einen rituellen Tanz auf. Am nächsten Tag aber ist Pougbila eine gebrochene Frau. Sie sei vergewaltigt worden, erzählt sie ihrer Mutter; will den Namen ihres Peinigers aber partout nicht verraten. Die Mutter ist entsetzt. Der Vater indes verheiratet Pougbila, unter dem Vorwand, sie vor der derzeit im Dorf herrschenden Sterbewelle zu bewahren, schnell ins nächste Dorf. Nun ist Pougbila vorerst quasi aus der Geschichte entlassen. Obwohl es im Dorf Radios gibt und in den - (wenn man nicht ganz genau hinhört leider ziemlich unverständlichen) - Nachrichten von einer derzeit herrschenden Meningitis-Welle die Rede ist, schreiben die Dorfvorsteher, zu denen auch Pougbilas Vater gehört, die Sterbewelle dem Fluch einer Hexe zu. Per Ritual ermittelt man die Schuldige - es trifft Pougbilas Mutter, die mit Schimpf aus dem Dorfe vertrieben wird. Als Pougbila, die bisher alles, was mit ihr geschah, schweigend hinnahm, vom Schicksal ihrer Mutter erfährt, bricht sie auf diese zu suchen...

Erst jetzt, als Pougbila aus ihrer Lethargie erwacht, man sie in langen Travellings strammen Schrittes Richtung Ouagadougou marschieren sieht, auf ihren Fersen einen Blick in die tatsächlich existierenden Hexenheime werfen kann, wird "Delwende" wirklich spannend; eben zu einem vom Schweizer Kameramann Jürg Hassler sorgfältig gefilmten, in seinem Ende unverhofft utopisch anmutenden Film über eine jungen Afrikanerin, die dem in ihrer Gesellschaft herrschenden Aberglauben und Machismo mutig die Stirn bietet.

18.07.2022

3.5

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