Interview

Kristen Wiig: «Ob Mann oder Frau, wir wollen doch alle nur lachen.»

Gaby Tscharner
Interview: Gaby Tscharner

Im Interview spricht Schauspielerin und Drehbuchautorin Kristen Wiig über die Schwierigkeit, Hollywood von der Mehrheitsfähigkeit ihrer Filme zu überzeugen.

Kristen Wiig: «Ob Mann oder Frau, wir wollen doch alle nur lachen.»

Kristen Wiig (Bridesmaids) spielt im Ghostbusters Reboot eine Wissenschaftlerin, die ihre Faszination mit dem Übersinnlichen zu verdrängen versucht. Im Interview mit cineman.ch spricht die Schauspielerin und Drehbuchautorin über die Schwierigkeit, Hollywood von der Mehrheitsfähigkeit ihrer Filme zu überzeugen.

Kristen Wiig, die Fans wollen's wissen: Wie sehr unterscheidet sich Ihr Ghostbusters Reboot vom ursprünglichen Film?

Nun, die Spezial-Effekte sind besser. Schliesslich hat sich die Technik in 30 Jahren enorm weiter entwickelt. Ansonsten sind sich die beiden Filme aber sehr ähnlich. Unser Reboot wird sich warm und bekannt anfühlen. Beim Zuschauer werden Gefühle der Vertrautheit aufkommen, im besten Sinne des Wortes. Das heisst aber nicht, dass wir keine Überraschungen auf Lager haben.

Es gibt Fans, die sich partout nicht mit dem Bild weiblicher Geister-Jäger anfreunden können. Was machen diese «weiblichen» Ghostbusters denn anders als die Männer?

Gar nichts, finde ich. Es spielt doch keine Rolle, ob Männer oder Frauen die Geister jagen. Der erste Film drehte sich ja schliesslich auch nicht darum, wie männlich diese Typen sind. Haben Sie Bill Murray sagen hören: «Ich bin ein Mann, deshalb bin ich ein Ghosbuster?» Nein. Diese Figuren sind Menschen.

Von «Ihr Film wird meine Kindheit ruinieren» bis zu rassistischen Attacken auf Leslie Jones waren im Internet ungewohnt heftige Reaktionen auf das Casting von Frauen zu finden. Wie gehen Sie damit um?

Ich tue mein Bestes, sie zu ignorieren. Ich kann mir kaum vorstellen, welchen Standpunkt die Leute einnehmen, die solche Kommentare schreiben. Wenn die Besetzung von Frauen als Ghostbusters überraschend oder gar beleidigend für die Leute ist, dann haben wir als Gesellschaft Probleme.

In den USA wurden Sie durch die Samstag Abend Comedy Show «Saturday Night Live» bekannt. Hat Ihre komödiantische Karriere dort begonnen?

Bevor ich für SNL nach New York gezogen bin, war ich ein Mitglied der Groundlings Comedy Truppe in Los Angeles. Das war meine erste Begegnung mit Improv, improvisierter Comedy. Vorher wusste ich gar nicht, was das war. Als ich meine erste Groundlings Show sah, wusste ich sofort, dass ich damit meinen Lebensunterhalt verdienen möchte.

Sie waren also nicht eines dieser Kinder, das die ganze Schulklasse zum Lachen brachte?

Nein, gar nicht. Ich fand mich nie lustig. Vielleicht, weil ich sehr schüchtern bin. Ich dachte nicht, dass man beides sein kann. Lustig und schüchtern.

Heute ist Ihre Schüchternheit offenbar kein Problem mehr, oder?

Nun, ich spiele noch immer viel lieber eine Rolle, als dass ich mich selber bin. Wenn ich vor einer Gruppe von Leuten sprechen muss, dann bin ich meist total verängstigt. Aber wenn ich eine Rolle spiele, kann ich mühelos vor hunderten von Menschen auf der Bühne stehen.

Als Sie «Saturday Night Live» verliessen, hatten Sie gerade das Drehbuch zu Bridesmaids, einer der erfolgreichsten Komödien der letzten Jahre, fertig geschrieben.

Ich habe Bridesmaids gemeinsam mit meiner Freundin Annie Mumolo geschrieben, die ich bei den Groundlings kennengelernt habe. Judd Apatow hat mich gefragt, ob ich ein Drehbuch schreiben möchte und diese Challenge habe ich mir nicht entgehen lassen.

Einfach so? Haben Sie denn schon immer schreiben wollen?

Ja, aber wir hatten beide keine Ahnung, wie man ein Drehbuch schreibt. Wir haben uns ein Buch zur Anleitung kaufen müssen. In nur sechs Tagen hatten wir eine erste Version, die zwar noch überarbeitet werden musste, aber alle Figuren und zentralen Themen des Films enthielt.

Bridesmaids war ein Riesenerfolg, der weltweit über 288 Millionen Franken eingespielt hat. Weshalb hat dieser Film nicht für weitere Komödien von und mit Frauen die Türe geöffnet?

Wenn ich das nur wüsste... Seit fünf Jahren höre ich bei jedem Film: «Also dieser Film sollte nun wirklich die Türen für Filme mit Frauen in den Hauptrollen öffnen...»

Sie haben heute doch genug Einfluss, Projekte realisieren zu können, oder?

Ich wünschte, ich könnte einfach zur Eingangstüre eines Studios hinein marschieren und veranlassen, dass einem Drehbuch grünes Licht gegeben wird. Aber, diese Power habe ich nicht. Ich hoffe nicht, dass es einen Haufen Drehbücher für Frauen in den Hauptrollen gibt, die auf irgendwelchen Regalen der Studios Staub ansetzen, weil ihnen keiner grünes Licht gibt. Das wäre bescheuert. In welchem Jahr leben wir denn eigentlich?

Inwiefern werden Autorinnen, Regisseurinnen und Produzentinnen und ihre Projekte in Hollywood anders behandelt als Männer?

Das Marketing ist total anders. Komödien mit Männern werden als Filme für alle Kinogänger angepriesen. Komödien mit Frauen in den Hauptrollen werden als «Frauenfilme» vermarktet. Das ist frustrierend. Wir wollen doch alle lachen. Komödien mit Frauen brauchen keine rosaroten Buchstaben, Titellieder gesungen von Frauen und all diese Frauenwitze im Trailer. Amy Schumer ist witzig. Nicht weil sie eine Frau ist, nein, weil sie intelligent ist und alle Leute zum Lachen bringt.

Chris Hemsworth spielt im neuen Ghostbusters Film die klassische Frauenrolle der Empfangs-Dame. Kriegt dieser gut aussehende Mann die selben Vorurteile zu spüren, wie Frauen? Wird ihm nicht zugetraut, dass er witzig sein könnte?

Ach, wen kümmert's. Wenn das sein einziges Problem ist... Wir haben ständig versucht, seine Schwäche zu entdecken. Er ist so gutaussehend, da muss er doch ein Arschloch sein, oder? Aber wir haben keine gefunden. Er ist ein sehr angenehmer Mensch.

27. Juli 2016

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