Risk Deutschland, USA 2017 – 90min.

Filmkritik

Ein Staatsfeind auf Egotrip

Julian Gerber
Filmkritik: Julian Gerber

In Risk versucht sich die Dokumentaristin Laura Poitras dem egozentrischen WikiLeaks-Gründer Julian Assange anzunähern. Entstanden ist das Porträt eines herrischen Manipulators, der sich verrannt hat in seinem politischen Kampf um Meinungs- und Informationsfreiheit und mittlerweile mehr mit seinem eigenen Schicksal und dessen Inszenierung beschäftigt ist.

“Ich bin kein normaler Mensch”, lässt Julian Assange Lady Gaga wissen, als sie ihn in der ecuadorianischen Botschaft fragt, wie er sich fühlt. Diese Aussage zeugt von Assanges Selbstdarstellung, der sich gern im Mittelpunkt des Geschehens weiss. Auf der Flucht vor der Justiz gleicht Assanges Leben einem anhaltenden Spiessrutenlauf. Der Film begleitet den australischen Hacker innerhalb eines Zeitraumes von sechs Jahren (2011-2017), zeigt ihn bei Treffen mit Anwälten, Journalisten sowie seinem Team und beleuchtet zudem das zwiespältige Verhältnis zwischen der Filmemacherin und Assange – in Voice-over-Kommentaren offenbart diese, dass sie Assange nicht vertraut und dass er sie nicht zu mögen scheint. Assange definiert sich nur noch durch seinen Status als Staatsfeind und scheint diese Sonderrolle sichtlich zu geniessen: Stolz zählt er im Film auf, welche mächtigen Behörden er zum Feind hat. Ansonsten wirkt der Whistleblower kühl und distanziert – im Umgang mit seinem Team zum Teil sogar herablassend. Was Assange antreibt, bleibt bis zum Schluss unklar.

Laura Poitras verpasst es, in Risk eine packende Geschichte zu erzählen, die sich an den Enthüllungen von WikiLeaks orientiert. Die Ausschnitte kommen zum Teil episodenhaft daher und wirken zusammengewürfelt. Das liegt jedoch auch am schwachen Hauptakteur, der es nicht schafft, glaubwürdig sein Anliegen ins Zentrum zu rücken, sondern sich selbst lieber als Märtyrer für eine höhere Sache inszeniert – dies obwohl er vom Martyrium nichts hält, wie er im Film sagt. Auch die Objektivität der Dokumentation ist zu hinterfragen: So wurden die Off-Kommentare der Regisseurin erst im Nachhinein hinzugefügt, wodurch Assange keine Chance hatte, dazu Stellung zu beziehen. Manchmal macht es sich Poitras auch zu einfach, zum Beispiel wenn sie versucht, Assange in die Sexismus-Ecke zu drängen – ein Leichtes, wenn man bedenkt, dass sich Assange dem Vorwurf der sexuellen Belästigung verantworten muss. Trotz dramaturgischer Schwächen lässt einen die Dokumentation einen Blick hinter die Kulissen von WikiLeaks werfen und gibt Details über die Enthüllungen und Verstrickungen der Organisation Preis – wenn da nur nicht Assanges riesiges Ego wäre.

18.02.2024

3

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Kommentare

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Yvo Wueest

vor 6 Jahren

Es ist weniger Assange selber, sondern die Beobachtung von seinem engsten Kreis an Unterstützerinnen und Unterstützern, die diesen Film sehenswert machen. Allerdings sind es nicht Poitras Fragen -die kaum kritische, journalistische Distanz zum intelligenten, arroganten Freak zeigen, wie es rund um die Filmlancierung behauptet wurde- sondern Lady Gagas unverblümten, kleinen Konfrontationen, die den Kämpfer kurz aus dem Schützengraben locken.Mehr anzeigen


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