Review18. Januar 2023

Film-Kritik «Babylon»: Eine ehrliche Liebeserklärung an den Hollywoodfilm

Film-Kritik «Babylon»: Eine ehrliche Liebeserklärung an den Hollywoodfilm
© Warner Brothers Switzerland

Nach «La La Land» zieht es den Regisseur Damien Chazelle erneut in die Welt der Traumfabrik. Mit Stars wie Margot Robbie und Brad Pitt lässt er das Hollywood der 1920er-Jahre wiederauferstehen und scheut sich dabei nicht, auch die Schattenseiten des Business zu zeigen. Alles in allem gelingt ihm so eine echte Liebeserklärung an den Hollywoodfilm, die sehr viel düsterer ist als ihr singender, tanzender Vorgänger.

Hollywood ist ein Sehnsuchtsort, der Träumende aus der ganzen Welt anzieht. Der Mexikaner Manny (Diego Calva) schuftet bei den Partys der Superreichen und trifft dort Nellie LaRoy (Margot Robbie), die wie er eines Tages ins Filmgeschäft will. Nach einer durchzechten Nacht fährt Manny schliesslich den Filmstar Jack Conrad (Brad Pitt) nach Hause und wird prompt dessen Assistent, während Nellie ihre erste Rolle ergattert. Was folgt, sind steinige Wege zum Erfolg, die den Figuren alles abverlangen und mit dem Auftauchen des Tonfilms eine plötzliche Wendung zu nehmen scheinen.

© Warner Brothers Switzerland

In «Babylon» prallen Universen aufeinander – und das von Anfang an. Ein superreicher Partylöwe will einen echten Elefanten als Attraktion für seine Feier und sein Untergebener Manny soll’s richten. Die Fahrt mit dem Elefanten durch die Wüste gerät holprig, das Rüsseltier wird nervös und überschüttet Manny und seinen Kollegen mit einem Scheisseregen der Extraklasse. Schnitt. Es folgt eine virtuos inszenierte und traumhaft in Szene gesetzte Plansequenz, also eine Szene ganz ohne Schnitt, die durch eine wilde Party voller wunderschöner Menschen gleitet, die tanzen, feiern, trinken und sich lieben. Schnitt. Ein auf dem Boden liegender Fettsack wird von seiner attraktiven Sexpartnerin bepinkelt. Schnitt. Eine glamouröse Band spielt Jazz, die Champagnergläser klirren.

Gekonnt spielt «Babylon» mit Gegensätzen und dem Wechselspiel von dem, was man sehen darf, und dem, was normalerweise verborgen bleibt. Der Film bietet faszinierende Blicke hinter die Kulissen und zeigt die Fliessbandproduktion von Filmen in der Wüste, wo in windschiefen Holzverschlägen hunderte Filme gleichzeitig entstehen. Das Publikum wird in eine atemlose Produktionsmaschinerie hineingeworfen, die Material und Menschen gleichermassen verschlingt, um im nächsten Augenblick die Entstehung perfekter Filmmomente festzuhalten. Luxus und Armut, Langeweile und Hektik, Lärm und Stille – in «Babylon» existiert das alles gleichzeitig.

Gekonnt spielt «Babylon» mit Gegensätzen und dem Wechselspiel von dem, was man sehen darf, und dem, was normalerweise verborgen bleibt.– Cineman-Filmkritikerin Maria Engler

Der Film ist nicht nur ein spannender Ausflug in die Filmgeschichte, sondern auch eine grosse Liebeserklärung an den Hollywoodfilm, die allerdings seine Probleme keineswegs verschleiert. Sei es Sexismus, Rassismus, Homophobie, das Aufgeben der eigenen Ideale oder die schulterzuckend in Kauf genommenen Tode zahlreicher Statisten – «Babylon» schreckt nicht davor zurück, auch die dunklen Seiten des Business zu beleuchten und gerät damit deutlich düsterer und als «La La Land».

Erfrischend ist auch, dass hier keine Liebesgeschichte im Vordergrund steht, sondern die persönlichen Schicksale mehrerer Figuren, was stellenweise leider den Fokus und die emotionale Bindung an diese erschwert. Besonders hervorzuheben ist hier der Filmstar Jack Conrad, der nicht nur eine facettenreiche und tragische Figur ist, sondern auch von Brad Pitt mit grosser Ruhe und Bedachtheit verkörpert wird. Margot Robbie spielt mit viel Mut und grosser Geste, ihre Figur bekommt aber leider nie den nötigen Tiefgang.

© Warner Brothers Switzerland

Die Geschichten der Figuren, ihre Kämpfe, ihre Siege und ihr Scheitern werden untrennbar mit der Filmgeschichte verknüpft. Ein Höhepunkt des Films, trotz oder gerade wegen ihres innehaltenden Gestus im Gegensatz zu dem sonst ständig präsenten Lärm des Films, stellt ein Gespräch zwischen Conrad und der Filmkritikerin Elinor St. John (fabelhaft: Jean Smart) dar. Es geht um die Vergänglichkeit des Ruhms und das Finden des ewigen Lebens in der Filmprojektion: eine Weisheit, die sich vor allem zum Ende des Films prachtvoll inszeniert bewahrheitet.

Wie bereits in «La La Land» steht hier «Singin’ in the Rain» als filmische Inspiration klar im Zentrum und wird zum Ende hin sogar im Kino geschaut. Wer den Film gut kennt, wird im Verlauf immer wieder Parallelen und Hommagen entdecken können. Ohnehin ist das Ende des Films eine reizüberflutete, filmverliebte Offenbarung, wie es sie schon seit längerer Zeit nicht mehr im Kino zu sehen gab. Auf keinen Fall verpassen!

4 von 5 ★

«Babylon» ist ab dem 19. Januar zu sehen.

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