Interview

Anatole Taubman: «Leidenschaft! Happiness!»

Stefan Gubser
Interview: Stefan Gubser

Schlägt sich als Kopf einer brutalen Söldnertruppe durch den Wikinger-Actioner von Claudio Fäh: Anatole Taubman über die Funktion des Bösen, Werkzeugkisten und sein Playmobil-Ritterschloss.

Anatole Taubman: «Leidenschaft! Happiness!»

Anatole Taubman – so tierisch wie noch nie? Mein bleibender Eindruck nach Northmen: A Viking Saga: Sie haben sich geradezu durch den Film gebellt.

Die Stimme – guter Punkt. Klar, ich schreie hier viel herum. Als «Chef» der «Karpatischen Söldner», auch «Wölfe» genannt, war das einfach auch oft zwingend notwendig. Das macht diesen Bovarr auch aus. Ich habe auch versucht, ihm eine so tief wie mögliche Stimme zu geben.

Stephen Fry schreibt in seiner Autobiographie, sein Selbstvertrauen als Schauspieler fusse in erster Linie auf der stets beruhigenden Gewissheit: Die Stimme sitzt.

Eine schöne Beobachtung. Für mich ist die Stimme einfach ein Teil des grossen Ganzen: Ich komme da sehr vom Method Acting her. Mir wurde beigebracht: Als Schauspieler besitze ich eine Kiste voller Werkzeuge, die mir helfen, meine Rolle zu bewohnen und so wahr wie möglich in gegebenen Umständen zu «sein».

Ist die Stimme das intimste Werkzeug des Schauspielers?

(steckt sich eine Zigarette an) Seit einigen Jahren fällt mir auf, dass viele Leute um mich herum sagen, ich hätte eine schöne Stimme. Das ist mir gar nie aufgefallen. Wenn ich mich sprechen höre? Horror!

So schlimm?

Die armen Leute, denke ich manchmal. Als Schauspieler schaut man vielleicht manchmal einen schwierigen Take nochmals am Monitor an. Wenn ich mir unsicher bin, gehe ich zum Tonmann. Die Stimme spielt eine Schlüsselrolle und ist meiner Meinung nach oft der beste Richter, ohne Frage. Das wurde mir 2007 so richtig bewusst, bei den Dreharbeiten zu Waking The Dead – Pietá‚ und Snipers Valley. In beiden Filmen spielte ich osteuropäische Widersacher.

Der Kreis, Die Akte Grüninger: Sie waren zuletzt in Filmen zu sehen, die von einer gewissen gesellschaftspolitischen Relevanz und Dringlichkeit sind. Geht man einen Bubentraum wie Northmen: A Viking Saga weniger ernsthaft an?

Das Ziel, die Rolle so echt wie möglich zu verkörpern, ist das Gleiche. Aber die Herangehensweise und Erarbeitung ist komplett anders. Gerade, weil man von Anfang an an seine eigene Jugend erinnert wird. Ich komme aus der Playmobil-Generation und habe damals als kleiner Junge kein Indianer- oder Cowboyfort erhalten, sondern ein Ritterschloss. Mal einem Pferd eine Mütze über den Kopf ziehen und einen Ritter mit Rüstung und Schwert oder Lanze auszustatten? Das fand ich schon sehr spannend. (lacht)

Der skeptisch-belustigte Blick in ein, zwei Szenen sollte also nicht heissen: Was mache ich hier?

Ich nahm es todernst. Mein Bovarr ist unberechenbar. Diese Karpaten waren im 9. Jahrhundert die begehrtesten Söldner in Europa. Sie waren damals auch die besten Reiter und absolut furchtlos. Und diese Bedrohung soll man auch spüren. In einem Film wie Northmen übernimmt Bovarr zusammen mit meinem jüngeren Bruder Hjorr ja auch die Funktion des «Bösen». Das ist anders als in Der Kreis oder bei Akte Grüninger, Charakter-geprägten und politisch motivierten Dramen, die auch tatsächlich stattgefunden haben. Komplett unterschiedliche Genres.

Spielt sich so ein Bovarr sogar schwieriger als eine ausgewachsene Charakterrolle?

Man muss sich noch mehr überlegen, weil man eine solche Rolle nicht einfach aus seiner eigenen Befindlichkeit heraus bewohnen kann, sondern immer vor Augen haben muss: Das will, soll oder muss das Publikum in dem Moment sehen! Das ist wichtig für den Film, nicht für meine Figur.

Also haben Sie auch Ihrem Karpaten-Bluthund in Schottland wieder einen 40-seitigen Lebenslauf angedichtet, um zu wissen, mit wem Sie es da zu tun haben?

Regisseur Claudio Fäh sagte oft: Du schreibst ja die ganzen Prequels! Selten hat mich eine Rolle so emotional und vor allem körperlich so eingenommen. Wobei die Dreharbeiten ja auch nicht einfach waren: wenig Budget, wenige Drehtage, anstrengende Dreharbeiten und nicht selten 16-Stundentage.

Sie hatten eine kleine Rolle in Dominik Lochers Tempo Girl, bei Northmen führte Claudio Fäh Regie: Verstehen Sie sich zunehmend als Geburtshelfer des jungen Schweizer Kinos?

Für mich sind Drehbuch, also die Geschichte und die künstlerischen Macher dahinter, also Regisseur, Produzent und Autor massgebend. Egal ob Kurzfilm, Langfilm, Big Budget oder Small Budget. Du drehst Transporter Legacy oder Versailles mit 150 Leuten am Set – und dann kommt ein Studentenfilm wie Ferien von Bernadette Knoller, wo ich kürzlich eine Gastrolle als Beauty-Doktor spielte. Das war so erfrischend, unverbraucht und originell. Leidenschaft! Happiness!

17. Oktober 2014

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