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Multiple Schicksale - Vom Kampf um den eigenen Körper Schweiz 2015 – 84min.

Filmkritik

Die Krankheit der 1000 Gesichter

Björn Schneider
Filmkritik: Björn Schneider

Multiple Schicksale macht anhand von sieben, an MS-erkrankten Personen deutlich, was die Nervenkrankheit den Betroffenen und ihren Familien an Kraft und Ausdauer abverlangt.

Die Multiple Sklerose ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. Die Folgen können zum Teil radikale, schwerste Symptome und Behinderungen sein, die das Leben der Betroffenen und der Familien schlagartig ändern. Diese Störungen können zum Beispiel Lähmungen an Beinen, Armen und Händen, Schmerzen, Blasen- und Darmstörungen aber auch Seh- und Gleichgewichtsstörungen sein. In der Schweiz leben ca. 10'000 Menschen mit dieser Erkrankung, zudem ist sie unheilbar.

Multiple Schicksale ist der authentische, bewegende Dokumentarfilm des jungen Schweizers Jann Kessler, 20 Jahre, den ein ganz persönliches Schicksal dazu bewog, diesen Film zu drehen. Er selber war fünf Jahre alt, als seine eigene Mutter die Diagnose Multiple Sklerose erhielt und sich damit das Familienleben auf einen Schlag änderte. Um die schlimmen Erlebnisse zu verarbeiten, ein Verständnis für die Erkrankung zu schaffen sowie um aufzuzeigen, was MS mit den Betroffenen und den Angehörigen macht, entschloss er sich zur Realisierung des Films.

Über 50 mal besuchte der junge Filmemacher die betroffenen Personen, um sie zu Hause zu befragen, Interviews mit den Familien zu führen, ihren alltäglichen Situationen beizuwohnen und damit einen unmittelbaren und konsequenten Eindruck davon zu vermitteln, was die Erkrankung mit den Menschen macht. "Multiple Schicksale" ist dabei kein allgemeiner Film über MS, insofern liefert er auch keine informelle Einordnung, Daten, Zahlen oder Statistiken. Hier hätte man sich vielleicht die ein oder andere Info zum besseren Verständnis gewünscht, zum Beispiel ob es mehr Männer oder Frauen betrifft, wann die erste Symptome einsetzen, wie der Stand der Forschung ist und welche Therapiemöglichkeiten existieren.

Vielmehr konzentriert sich der Film auf die einzelnen Schicksale, die unterschiedlicher nicht sein könnten und arbeitet damit aber auch eindringlich und intensiv den Aspekt heraus, für den MS letztlich vor allem steht: Es ist die Krankheit der 1000 Gesichter, einen allgemeingültigen Verlauf gibt es nicht, sie äussert sich von Patient zu Patient anders. Filmemacher Kessler dringt tief in den privaten Raum der Patienten ein und zeigt auf, wie diese ihren Alltag meistern: von Bernadette, die seit 1993 mit MS lebt und körperlich bereits schwer gezeichnet ist, der 29-jährigen Melanie, die auf einem Auge bereits nahezu blind ist oder Oliver, der 1990 von seiner Erkrankung erfuhr und bis heute ein einigermassen normales Leben führen kann. Trotz der schlimmen Schicksale vermittelt der Film auch immer wieder Mut und Hoffnung und zeigt, dass man mit der Unterstützung der Familie und den heutigen, modernen Therapiemöglichkeiten noch gut am Leben teilhaben kann.

19.02.2024

4

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Kommentare

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ricarda23

vor 7 Jahren

gut darin, dass er die Krankheit als etwas Inviduelles darstellt
( als Krankenschwester finde ich dies nicht als etwas MS typisches)
gut auch den Film als Reise darzustellen, auch als Weg des Regisseurs mehr über die Krankheit und damit auch über seine Mutter zu erfahren.
gut auch zu spüren, wie der Regisseur durch diese Reise seiner Mutter näher kommt.

unterschwellig spüre ich auch Wut, darüber, dass sie sich zu Lebzeiten nicht geäußert hat,
sie durch die Negierung des "Ausgangs der Erkrankung " für sich eine Überlebensstrategie fand, unter der die Angehörigen nun leiden. Es ist ein zwanghafter (erstarrter?) Aspekt der Erkrankung, der auch mich in der Begleitung eines an MS Erkrankten sehr herausgefordert hat.

Für Außenstehende, die keinen Kontakt mit Menschen haben, die sehr beeinträchtigt sind von der Erkrankung, sind die Sequenzen über die Mutter aus einer zuschauenden Distanz gefilmt und in dieser Distanz ist dies Phase von MS "schrecklich".
Wenn Menschen es schaffen trotz der Barrieren in der Kommunikation in wirklichen Kontakt mit den Betroffenen zu kommen, wird aus dem "Schrecklichen" , Beziehung.
Ob das filmbar ist habe ich mich schon oft gefragt, nur ich habe es selbst in der Begleitung eines an MS Erkrankten erlebt und kenne Kolleginnen, die diese Beziehung auch zu Menschen im Wachkoma aufbauen können.Mehr anzeigen


Pingu1990

vor 7 Jahren

Ich habe selber MS und finde der Film zeigt klischeehaft alles negative in kurzer Zeit.

Sicherlich ist es eine schlimme Krankheit mit der man aber auch ein gutes Leben führen kann.

Solche Filme sollte kein Angehöriger schauen der sonst schon am Boden ist weil er nur noch ein Rollstuhl vor einem sieht.Mehr anzeigen


rosenthaler

vor 8 Jahren

kein wünderfilm


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