Interview

Jason Schwartzman: «Ich liebe Interviews»

In «Listen Up Philip» spielt er einen blasierten Schriftsteller – im Gespräch gibt er sich so nett, witzig und gut angezogen, wie man ihn sich erhofft: Jason Schwartzman über Ehrlichkeit, Idole und Jazz.

Jason Schwartzman: «Ich liebe Interviews»

Mr. Schwartzman, Sie sind immer hervorragend in Rollen als Schriftsteller. Listen Up Philip knüpft, könnte man fast sagen, an die HBO-Serie Bored to Death an.

New York. Brooklyn. Schriftsteller. Das sind die Parallelen. Aber der Schriftsteller in Bored to Death, Jonathan, müht sich ab, während Philip vor einer erfolgreichen Karriere steht. Der eine ist ein süsser Kerl, ein Tagträumer, während der andere, Philip ...

... ein grauenhafter Misanthrop ist.

Er ist boshaft. Jonathan ist wie zwei beste Freunde in einem, Philip ist gar kein Freund.

Er wird allerdings zu einem Freund des grossen, ähnlich boshaften Schriftstellers Ike, gespielt von Jonathan Pryce.

Ike sagt zu Philip: «Man braucht keine Freunde. Freunde saugen einen nur aus.» Stellen Sie sich vor, Sie lernen ihr Idol kennen und hören so etwas Trauriges. Doch Philip verinnerlicht solche Sachen.

Philip möchte werden wie Ike, während Ike in Philip seine Vergangenheit sieht. Einverstanden?

Ja, sehr. Ike lädt Philip ein, zu sich aufs Landhaus zu ziehen, Philip nimmt die Einladung sofort an. Ich persönlich könnte eine solche Einladung nicht so einfach annehmen. Ich wäre wahnsinnig nervös: «Worüber reden wir beim Frühstück? Was, wenn ich etwas Dummes sage?» Aber Philip nimmt die Einladung nicht nur an, er verlängert sogar seinen Aufenthalt, ungefragt.

Sie machen ja auch Musik, und es gibt viel Jazz in dem Film. Passt Jazz zu dieser Figur?

Ich stelle immer gerne Musik zusammen für meine Figuren, und ich habe lange überlegt, was Philip hören würde. Auf Jazz bin nicht ich gekommen, das war der Regisseur. Ich hatte an Rap gedacht. Rapper sind so ... «Yo! Ich bin der Beste, und ich mache dies und das, und ich bin so cool.» Ich bin durch die Strassen New Yorks spaziert, habe Rap gehört und mich taff gefühlt: «Geht mir aus dem Weg, hier kommt Philip!»

Müssen Sie die Figuren mögen, die Sie spielen?

Meine Antwort auf diese Frage ändert sich laufend. Ich habe das Drehbuch gelesen und es nach ein paar Seiten weggelegt, weil mich die Figur so abgestossen hat. Dann konnte ich doch nicht anders und habe erneut ein paar Seiten gelesen. Dann habe ich es wieder in die Ecke geknallt. Das ging den ganzen Tag so. Später habe ich mich mit dem Regisseur darüber unterhalten: «Müssen wir diesen Typen mehr mögen?» Wir haben uns hingesetzt und versucht, die Figur liebenswürdiger zu gestalten.

Sie lachen.

Die Figur ist dabei nur noch unsympathischer geworden. Mir scheint: Je mehr man absichtlich versucht, eine Figur sympathischer zu machen, desto unsympathischer wird sie.

Was braucht es, damit Sie eine Rolle annehmen?

Kürzlich durfte ich mit Tim Burton drehen (Big Eyes Anm. d. Red.). Ich versuche, die Menschen kennenzulernen, bevor ich eine Rolle annehme. Ich möchte wissen, wie ein Regisseur oder ein Autor tickt. In E-Mails bleibt vieles unklar. Aber bei Tim Burton war der persönliche Zugang nicht möglich; es ist ein grosser Film und ich spiele nur eine Nebenrolle. Also habe ich eine Tonne Interviews gelesen. Ich liebe Interviews. Ich bin ein langsamer Leser, Interviews sind perfekt für mich. Ich habe auch das Buch «Burton on Burton» studiert.

Darin haben Sie Antworten gefunden?

Burton antwortet auf die Frage, was ein Projekt für ihn brauche: «Einen Fanghaken. Es kann etwas ganz Kleines, Unscheinbares sein, ich brauche einfach etwas, das mich angelt.» Das habe ich sofort verstanden.

Was macht ein gutes Interview aus?

Ich mag es nicht, wenn Leute in Interviews ausweichend sind. Ich möchte wissen, was die Leute mögen und was sie nicht mögen. Als ich jung war, habe ich die Interviews von Kurt Cobain geliebt, denn er sagte immer, welche Bands er mag. Das war Pre-Internet. Ich habe mir dann diese Bands notiert und bin in den Plattenladen gegangen. Ich mochte auch Cobains Attitüde, wie er sich nicht schämte, soft rüberzukommen. Er erzählte, dass ihn die Jocks, die sportlichen Kids in der High School, verprügelt hätten. Für eine Weile glaubte er auch, schwul zu sein und er sagte das allen in der Schule. Er war sehr mutig und sehr sensibel. Das hat mir imponiert.

Was motiviert Sie, als Schauspieler zu arbeiten?

Viele Schauspieler sagen in Interviews: «Ich musste die Rolle spielen, um mich selber auszudrücken.» Das ist bei mir nicht so. Ich habe nicht das Gefühl, in mich eintauchen zu müssen, à la: «Jason, da ist etwas in dir drin, das musst du zum Ausdruck bringen.» Nein, so ist es nicht. Ich lese einfach Drehbücher und denke: «Davon will ich ein Teil sein. Ich möchte mitmachen beim Realisieren dieses Films.» Und dann gibt es noch eine zweite Antwort ...

Ja, bitte?

Ich liebe das Physische. Wie sich Leute seltsam bewegen. Jean-Pierre Léaud ist einer meiner Lieblingsschauspieler, einfach wegen der Art, wie er sich bewegt.

Er war in Locarno!

Ich weiss! Alex (Ross Perry, der Regisseur von Listen Up Philip, Anm. d. Red.) schrieb mir ein E-Mail: «Hey, Léaud wird in Locarno sein, wir müssen ihn treffen!» Ich schrieb zurück: «Nein, wir können ihn nicht treffen! Das wäre furchteinflössend.» Das ist wie bei Philip und der Einladung ins Landhaus: So etwas kann ich nicht.

Ein Wort noch zu Alex Ross Perry, diesem Wunderkind.

Er ist gerade erst 30 geworden. Ich liebe seine Neunmalklugheit, seine Verschmitztheit. Das Drehbuch war 190 Seiten lang. Normale Drehbücher sind höchstens 120 Seiten. Da kommt also so ein 29-Jähriger und schickt einem ein 190-Seiten-Drehbuch, das wie ein Roman geschrieben ist. Er ist unglaublich. Er arbeitete in einer berühmten Videothek in New York, die bekannt dafür war, Kunden rauszuschmeissen, wenn diese nach schlechten Filmen gefragt haben. Alex Ross Perry führte die Videothek für eine Weile. Er war damals 22 Jahre alt. Das sagt, glaube ich, alles über ihn. (Lacht.)

13. August 2014

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