Interview

Christiane Paul: «Da sind wird auf dem Weg»

Stefan Gubser
Interview: Stefan Gubser

Was, wenn eine Ärztin plötzlich wieder für die Kinder kochen muss, weil der Gatte nicht mehr nur Hausmann sein will? Christiane Paul über Selbstverwirklichung, Zweisamkeit und Jagdtrieb.

Christiane Paul: «Da sind wird auf dem Weg»

Wie war's denn, mal einen Mann zu spielen, Frau Paul?

Das entscheidet man nicht bewusst. (lacht) Man spielt ja einfach die Situation, die Figur. Da ist einem nicht so klar, dass man da der Mann ist.

Ich spiele natürlich auf den Dialog an, in dem Sie Ihrem Mann sagen: «Du hörst Dich an, wie eine frustrierte Ehefrau aus den 50ern.» Ist die grosse Provokation von Eltern, dass der Film eine Mutter zeigt, die sich eingesteht, dass sie das gar nicht so gut kann wie der Mann – Mutter sein?

Die Rollen so stark umzukehren, dass der Ehemann zur Frau sagt, du bist eigentlich der Mann: Das ist auf jeden Fall eine Provokation und um natürlich auch den Zeitgeist aufzuzeigen. Aber auch die Probleme dessen, was im Moment noch immer der Normalfall ist.

Kennen Sie persönlich Eltern, bei denen diese radikale Umkehr der Rollen funktioniert hat, die in Eltern auch nicht hinhauen will?

Eine Freundin von mir ist Make-up-Artistin, bei ihr war das so. Ihr Mann hat während seines Studiums lange Zeit die Kinder übernommen.

Wir stellen uns vor, was passiert, wenn wir die real existierenden Verhältnisse einfach mal umdrehen: Sieht man sich, wenn man Teil eines solchen Films ist, auch als Teil eines politischen Projekts?

Es ist natürlich ein grosses Glück, wenn man nicht nur reine Unterhaltung macht, sondern darüber hinaus etwas zeigen kann, was gesellschaftlich relevant ist. In Deutschland ist gerade wieder die sogenannte «Herdprämie» aktuell: Dass es eben doch nochmal Geld geben soll für die Eltern, die zuhause bleiben. Eltern ist sicherlich auch ein Film zu einem aktuellen Diskurs in der deutschen Familienpolitik.

Woran liegt es denn, dass es diese Umkehrung, wie Eltern sie imaginiert, noch immer die Ausnahme ist? Es gibt noch immer kaum Konrads, die sagen: «Geh du schön arbeiten, Schatz. Ich mache jetzt mal die Mutti.»

Das ist einfach traditionell und kulturell im Menschen verankert. Männer gingen auf die Jagd, Frauen waren in den Höhlen und haben die Versorgung der Kinder gewährleistet. Daran ist ja auch nichts falsch. Aber es ist in einer modernen Gesellschaft, in der auch die Frau sich in der Arbeit verwirklichen möchte, eben sinnvoll, gleichberechtigt zu agieren. Da sind wir auf dem Weg. Ich würde dieses traditionelle Rollenbild auch nicht verurteilen, das muss jeder für sich entscheiden. Es geht ja nicht nur um Selbstverwirklichung, sondern auch um wirtschaftliche Faktoren. Oft geht auch die Frau arbeiten, weil es ein zweites Gehalt braucht um die Existenz der Familie zu sichern.

Sie haben mal gesagt, Ihnen habe es gereicht zu wissen, dass die Eltern für Sie da seien, wenn es wirklich darauf ankomme. «Diese Gewissheit ist für Kinder wichtiger ist als eine ständige körperliche Präsenz.» Sagt sich so etwas leichter, wenn man wie Sie in der DDR gross geworden ist, die in Sachen Kinderbetreuung wesentlich «fortschrittlicher» war als die heutige Bundesrepublik Deutschland? Von der steinzeitlichen Schweiz gar nicht zu reden.

In der DDR wurde dieses Thema überhaupt nicht diskutiert. Beide Elternteile gingen arbeiten, die waren gleichberechtigt und die Kinder eben in der Krippe. Meine Eltern waren beide Mediziner und beruflich sehr stark eingespannt, aber sie haben mir persönlich immer sehr das Gefühl gegeben, dass sie für mich da waren. Das ist natürlich nicht wichtiger als physische Präsenz. Es gibt aber viele Eltern, die physisch präsent sind, aber sich überhaupt nicht für ihre Kinder interessieren. Wichtig ist doch, die Zeit, die man mit den Kindern verbringt, wirklich mit ihnen zu verbringen. Wirklich dazusein.

Beklagen sich die Eltern von heute zu sehr darüber, wie belastend Kinder für eine Beziehung sind?

Ja. Natürlich verändern sie die Vorzeichen einer Beziehung zwischen zwei Menschen. Aber wenn ich Kinder haben will, bedeutet das ja nicht gleich den Tod einer Beziehung. Es ändern sich die Gewichtungen, und sicherlich verliert man auch zwischendurch die alte Zweisamkeit. Aber ich glaube, dass Kinder eine Bereicherung für eine Beziehung sind.

Umgekehrt: Identifizieren wir uns zu stark über unsere Jobs? Einer, der von Beruf Hausmann ist, wird doch auch von den Frauen als «Loser» belächelt – gerade den emanzipierten?

Das ist das, was Robert Thalheim beobachtet hat: Wie die Väter belächelt wurden, die während ihrer Elternzeit die Kinder vom Kindergarten abholten. Ich weiss nicht, ob wir uns zu stark über unsere Arbeit identifizieren. Wahr ist einfach auch, dass die ökonomischen Anforderungen permanent steigen. Und gleichzeitig gibt es Vorurteile gegen Männer, die sagen: «Ich klinke mich aus, weil ich mich mehr für meine Familie engagieren möchte.» Es gibt so beides, es ist so dazwischen. Man kann auch verstehen, dass sich Menschen voll und ganz für ihren Beruf aufopfern – das ist dann aber deren Entscheidung. Man sollte einfach mit der Bewertung von anderen Lebensmodellen vorsichtig sein. Muss doch jeder für sich entscheiden, wie er sein Leben gestalten sein. Wir haben ja nur das eine.

20. November 2013

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