Interview

Liam Neeson: «Ich spreche nicht gern über mich selber»

Seine Erscheinung ist einschüchternd, nicht ganz leicht also, ihm Fragen zu stellen: Liam Neeson über die Rolle des Anführers, lebensbedrohliche Situationen und eiskalte Morgenduschen.

Liam Neeson: «Ich spreche nicht gern über mich selber»

Wie haben Sie sich auf Dreharbeiten bei minus 35 Grad vorbereitet?

Ich habe mir eine Dokumentation über einen verrückten britischen Extremsportler angesehen. Dieser Typ schwimmt in der Antarktis von Eisberg zu Eisberg. Als Training stand er jeden Morgen unter die eiskalte Dusche, und das bis zu einer Stunde. Das tat ich ebenfalls, allerdings nur während sechs Minuten. Das bringt den Körper und das Immunsystem auf Touren.

Hat dieser Film etwas Ursprüngliches in Ihnen geweckt?

Absolut. Wir sehen heutzutage so viele Filme, wo die Handlung vorangetrieben wird indem jemand auf einem Computer tippt, ein Telefon bedient, Informationen weiter leitet oder ein Auto lenkt. The Grey enthält keine solchen Elemente. Der Film ist sehr einfach und sparsam. Es gibt nur die Naturgewalt, diese Typen und Emotionen. Der Film ist ursprünglich und pur, das hat mir gefallen.

Waren sie je in einer lebensbedrohlichen Situation?

Ja, zweimal sogar. 2000 hatte ich einen schlimmen Motorrad-Unfall, als ich mit einem Reh zusammen gestossen bin. Man ging davon aus, dass ich die Nacht danach nicht überleben würde. Und mit 35 hatte ich eine lebensbedrohliche Krankheit.

In einer Szene sieht man Sie im verzweifelten Zwiespalt mit Gott. Haben Sie sich Fragen über Gott und Ihr eigenes Schicksal gestellt?

Als Schauspieler sagt man seinen Text auf. Ich intellektualisiere oder analysiere das nicht. Ich habe die Fähigkeit, das zu tun, und dabei belasse ich es.

In welchem Gemütszustand befanden Sie sich bei den Dreharbeiten?

Mein Gemütszustand ist immer derselbe. Jeden Tag wartet eine Crew von 150 Leuten auf mich. Als Erstes sorge ich dafür, dass sie gar nicht erst warten. Du musst diszipliniert sein, wenn du einen Film machen willst. Der Gemütszustand muss immer derselbe sein, ganz egal, woran du denkst oder wo du dich emotional gerade befindest. Die Struktur muss stark sein. Ich hasse es, wenn ich von anderen Schauspiel-Kollegen höre, dass sie Crews warten lassen. Ich finde das unausstehlich.

An einem gewissen Punkt in Ihrer Karriere wechselten Sie von der Rolle des Psychopathen zu jener des Einzelgängers. Wie kam das?

Es war eine Fortsetzung. Nichts war geplant, die Würfel sind einfach so gefallen.

Arbeiten Sie hart?

Entweder bist du am Hungern oder es ist ein Festessen. Du arbeitest nicht die ganze Zeit, es gibt Pausen zwischen den Dreharbeiten. Für Battleship habe ich nur eineinhalb Wochen gedreht. Im Trailer sieht es zwar so aus, als ob ich in jeder Szene wäre. Das ist aber nicht der Fall.

Entscheiden Sie bewusst, wie viele Filme sie drehen?

Es gibt mir immer noch so ein Kick, dass komplett fremde Menschen meinen Agenten anrufen und fragen, ob ich bei ihrem Film mitwirken möchte. Wenn wir uns dann treffen und mögen, sagen wir vielleicht: Okay, lass es uns machen. Natürlich muss es zeitlich drin liegen, ich habe ja noch anderes zu tun. Ich bin allein erziehend, und das ist von grösster Wichtigkeit (Anm. der Redaktion: Seine Frau verstarb 2009 bei einem Skiunfall).

Können Sie frei entscheiden, ob Sie einen Independant-Film oder einen grossen Studiofilm machen möchten?

So viel wie nur möglich. Aber es spielt mir aber keine Rolle, welchem Genre der Film zuzuordnen ist. Das Drehbuch muss mir entsprechen. Es muss gut geschrieben sein, einen guten Charakter haben, und es muss ein Bogen gespannt werden.

Fühlen Sie sich wohl in der Rolle des Anführers?

Von einem kinematographischen Standpunkt aus gesehen, kann ich verstehen, warum mich Studios anfragen, solche Rollen zu spielen. Ich denke mir nicht: Oh mein Gott, wie meinen Sie das?

Welche Filme schauen Sie sich an, wenn Sie gerade nicht am Set sind?

Ehrlich gesagt schaue ich mir nicht häufig Filme an aber wenn dann Indie-Filme. Und ich liebe Dokumentationen. Es gibt diesen wunderbaren Film über Mike Tyson. Ich habe ihn einige Male live kämpfen gesehen, ich bin ein grosser Box-Fan. Er war ein Mann mit vielen Lastern, und er hatte Dämonen. Seine Geschichte ist sehr philosophisch.

Mögen Sie es auf Tour zu sein um Ihre Filme zu promoten?

Ganz ehrlich, ich hasse es. Ihnen kann ich es ja sagen, Sie sind nett. Ich fühle mich auf eine Art missbraucht. Aber man muss es halt heutzutage einfach machen. Ich denke mir immer, es muss doch einen anderen Weg geben. Aber man sagt mir immer wieder, dass es wichtig ist. Studios haben dies natürlich als Bedingung in ihren Verträgen. Aber ich arbeite am Telefon, ich muss keine Verträge unterzeichnen. Es ist das ganze System, ich fühle mich danach einfach dreckig. Ich spreche nicht gerne über mich selber.

13. März 2012

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