Klitschko Deutschland 2011 – 122min.

Filmkritik

Vier Fäuste und mehr als ein Hallelujah

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Sie haben's nicht nur in den Fäusten, sondern auch in den Köpfen: Die Boxweltmeister Vitali und Wladimir Klitschko sind einzigartige Vertreter ihres Faches. Der Dokumentarfilm von Sebastian Dehnhardt ist eine Hommage an die beiden phänomenalen Faustkämpfer aus der Ukraine, die auch ausserhalb des Rings eine gute Figur abgeben.

Sie haben so gar nichts von Schlägern, die aus der Gosse kommen und glamourös zu Weltmeistern werden. Gleichwohl haben die Brüder Klitschko einiges gemeinsam mit dem Hollywood-Helden Rocky: Sie haben einen ungebrochenen eisernen Willen, Ehrgeiz und ein grosses Herz. Wer kein Insider ist, kann die beiden Faustkämpfer Vitali und Wladimir Klitschko kaum auseinander halten. Doch so ähnlich sie sich auch scheinen, so hat jeder seinen Charakter, seinen Stil.

Vitali, der Ältere, ist eher der Draufgänger, der Puncher, der einen unorthodoxen Stil pflegt, der Kraft und Kunst verbindet. Vitali trat 2006 zur Bürgermeister-Wahl an und kandidierte für das ukrainische Parlament. Sein Bruder Wladimir entspricht eher dem klassischen Kämpfer, der Gegner mit seiner Linken kontrolliert. Er boxt vorsichtig, fast wie ein Schachspieler, kalkuliert, aber schlagkräftig. Experten meinen, seine K.o.-Niederlagen gegen den Südafrikaner Corrie Sanders (2003) und gegen Lamon Brewster (2004) hätten seinen Stil nachhaltig geprägt.

Das Verhältnis der Brüder zueinander, ihren Aufstieg, ihre Krisen und Comebacks, ihre Philosophie und Solidarität beschreibt der Klitschko-Dokumentarfilm von Sebastian Dehnhardt (Das Wunder von Bern) nuanciert und hautnah. Die knallharten Boxszenen samt Verletzungen sind brutal wie der Sport. Boxen sei kein Spiel, heisst es von den Weltmeistern, sondern todernst, ein Lebenskampf. Der Film ist eine Hommage an die beiden besten Boxer der Welt, ihr Charisma und ihre Popularität, besonders in Deutschland. Der Film ist Spurensuche und Zeitbild zugleich - der Vater der Brüder, Truppenführer einer Einheit aus Kiew, wird in die Katastrophe von Tschernobyl involviert, verstrahlt und überlebt.

Die eindringliche Dokumentation singt das Hohelied auf die Familie, auf brüderliche Liebe, ohne in gefühlsduselige Huldigung abzugleiten. Manager, Trainer, Gegner im Ring treten auf; auch der zwielichtige Box-Promoter Don King darf sich inszenieren. Krasse und sensible Szenen prägen sich ein - vom Schlagabtausch im Ring, von bitteren schmerzhaften Momenten, vom brüderlichen Clinch und gemeinsamen Schachspiel, aber auch von ihrer Liebe zur Mutter, der die Klitsckos versprechen, nie gegeneinander zu boxen. Die Mutter ist übrigens die einzige Frau, die in diesem packenden Film einen Stellenwert hat. Andere kommen nicht vor. Das Phänomen Klitschko wird brillant umschrieben, erklärt und ausgeleuchtet - weit über die Ringseile hinaus. Auch wenn der Filmemacher seine Bewunderung für die beiden Weltmeister nicht verhehlen kann (und will), ist dieser Dokumentarfilm einer der besten, die in diesem Jahr auf der Leinwand zu sehen sind.

18.02.2024

4

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Kommentare

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sigisan77

vor 11 Jahren

wirklich sehenswert


jabalito

vor 12 Jahren

absolut sehenswert. ich hätte mir noch ein bisschen weniger boxszenen und noch mehr hintergrund gewünscht, aber absolut sehenswert.


sadaka

vor 12 Jahren

Bin ein wenig erstaunt, das bis heute noch keine weiteren Bewertungen dazu gekommen sind. Es ist eben doch so, dass die meisten Leute auf irgenwelche schwachen Hollywood Filme abfahren... Eins ist auf jeden Fall Klar: Masse war noch nie ein Ïndikator für Qualiät (auch bei Filmen...)


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