Cell 211 Frankreich, Spanien 2009 – 114min.

Filmkritik

Gefängnis oder Kathedrale, Tod oder Auferstehung?

Filmkritik: Eduard Ulrich

Der junge spanische Regisseur Daniel Monzón inszeniert eine großartige Tragödie, indem er Außen und Innen mit einem Gordischen Knoten derart verbindet, dass es für alle sehr eng wird. Acht Goyas konnte er damit abräumen und auch an den spanischen Kinokassen voll punkten. Nicht ohne Grund.

Das Gefängnis fasziniert Autorschaft wie Publikum. Der isolierte Kosmos im Inneren, die fragile Beziehung zur Außenwelt und die Grenzgänger, das Personal und die Besucher, alle haben ihre Funktion, alle stehen unter Spannung. Der gnadenlosen Hierarchie kann niemand entrinnen, nur der Tod bringt rasch Erlösung. Eine Gefängnismeuterei kann eine kurze Explosion sein oder eine nervenzehrende Geduldsprobe, statt des monotonen Gefängnisalltags beherrschen die Machtverhältnisse unkontrolliert das Geschehen, die Beziehungen und die Entscheidungen.

Die Entscheidung für das Seilziehen hat Daniel Monzón, der Autor der Romanvorlage, allerdings schon abgenommen, offensichtlich war es die richtige: Monzón kostet trotz Gewalt und Hektik die Intrigen und Machtspiele, die Drohungen, die Listen und Fallen aus. Da gibt es keine Ebene, die tief genug wäre, als dass sie nicht einen doppelten Boden haben könnte. Die Gegner hüben wie drüben ringen auf Augenhöhe miteinander. Natürlich gibt es die schwarzen Schafe auf beiden Seiten, der Beamtenapparat schlägt sich (und früher Gefangene, neuerdings Demonstranten) wacker, da werden keine Trottel vorgeführt. Gezeigt wird dagegen, wie man Überwachungskamera- und Fernsehbilder, Mobiltelefone und andere Kommunikationsmittel virtuos einsetzt, so wird das Genre sanft renoviert, macht richtig Spaß: Was ist wirklich, was Interpretation, was Fiktion, was soll man glauben, worauf kann man sich verlassen?

Verlassen ist, wer keine Freunde hat. Nie war das Juan, dem gerade eingestellten Gefängniswärter, so schmerzlich bewusst wie jetzt, als um ihn herum das Chaos ausbricht. Die Selbstinszenierung der in Spanien erzkonservativen katholischen Kirche war immer schon theatralisch. Davon sind die Bilder inspiriert, ob Auferstehung oder Höllenfahrt. Die Inquisition ist die bewährte Lehrmeisterin für humane Haftbedingungen, doch Menschenopfer sind manchmal unvermeidlich, hier bleibt es nicht beim Zeigen der Instrumente. Wenn ein Lebenslänglicher mehr grunzt als spricht, ist das Mittelalter präsent, wo das Ausreißen der Zunge eine beliebte Strafe war. Auch der Anführer ist eine Bombenbesetzung: So schwerfällig wie er redet, denkt er auch - übertölpeln lässt er sich dennoch nicht. Das fährt ein, Halleluja!

17.02.2024

5

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Kommentare

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anabah

vor 13 Jahren

Vorneweg: Es kommen krasse Szenen vor. Beste am Film ist nicht die Story, die zum Teil etwas unrealistisch erscheint, sondern die Leistung der Schauspieler. Allen voran der Newcomer Alberto Ammann. Der hat wirklich Potential. Auch das Spiel von Malamadre, Luis Tosar, ist super.
Leider hat mich der Schluss etwas enttäsucht, aber ansonsten ein toller Film.Mehr anzeigen


simona11

vor 13 Jahren

hat mich nicht grad umgehauen die Story!


arab

vor 13 Jahren

Topfilm für dieses Genre. Die Insassen
werden üblicherweise nur als Dumpfbacken gezeigt, hier agieren die Darsteller auf Augenhöhe mit den Wärtern und den Aussenstehenden. Der Film hätte eine breitere Streuung in unseren Kinos verdient, wahrscheinlich ist aber gerade das ein Qualitätsbeweis. Unbedingt anschauenMehr anzeigen


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