Hunger Irland, Grossbritannien 2008 – 96min.

Filmkritik

Todeshungrig

Filmkritik: Eduard Ulrich

Der äußerst erfolgreiche, schwarze, englische Künstler mit dem berühmten Namen Steve McQueen widmet sich in seinem ersten Spielfilm dem tödlichen Hungerstreik des IRA-Aktivisten Bobby Sands. McQueens Mittel sind so einfach wie wirksam, seine Schauspieler große Klasse, ein Portrait der Persönlichkeit Sands' liefert er aber nicht.

Wenn gegen Ende des Films plötzlich der Ton aussetzt und das Bild verschwimmt, ist das kein technischer Fehler sondern ein biologischer: So ähnlich hört und sieht jemand, der zwei Monate nichts gegessen und nur wenig getrunken hat. Erstaunlich ist dabei auch, dass jemand in diesem Zustand, in dem der Körper zerfällt und sich die tägliche Hygiene zur Sisofosarbeit auswächst, überhaupt noch seinen Willen behaupten kann.

Der Kontrast zur Rolle Michael Fassbenders als verführerischer Liebhaber in "Fish Tank" oder in "Inglourious Basterds" könnte kaum größer sein, wenn man ihn hier tatsächlich abgemagert und ausgemergelt bei der regelmäßigen, demütigenden Arztkontrolle sieht, die die britische Regierung angeordnet hat, um sich juristisch abzusichern. Besonders gesund war das Leben dieses Bobby Sands' bisher allerdings auch nicht, denn die Haftbedingungen im berüchtigten Maze-Gefängnis waren schon vor dem Widerstandsregime hart, die Wärter brutal und Misshandlungen wie das berüchtigte Schleifen über den Betonboden mit nacktem Oberkörper an der Tagesordnung.

Zuvor hatte der aus einfachen Verhältnissen stammende Sands mit sportlichen Leistungen bei Querfeldeinläufen über große Distanzen geglänzt - seine phänomenale physische Konstitution war wohl Voraussetzung für die Extremleistung des 66 Tage währenden Hungerstreiks. Regisseur McQueen konzentriert sich auf den Gefängnisalltag in Sands' letzten sechs Lebenswochen, zeigt den Kot an den Wänden, die Quälerein durch das Personal (nicht alle machen mit, einem wird angesichts der widerlichen, unmenschlichen Praxis sogar speiübel), die kontrollierten Kontakte mit der Außenwelt, die Gespräche zwischen Zellengenossen.

Eröffnet wird "Hunger" mit einer Szene aus dem Privatleben des Gefängnispersonals, die mit einfachen filmischen Mitteln die Atmosfäre der Angst vor Anschlägen kaum besser darstellen könnte, während das als intellektueller Höhepunkt konzipierte Streitgespräch zwischen Gefängnispriester und dem zum finalen Hungerstreik entschlossenen Häftling didaktisch und in seiner artifiziellen Reinheit als Fremdkörper wirkt. In Cannes erhielt das Werk wohlverdient die Goldene Kamera.

03.04.2012

4

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Kommentare

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julianne

vor 10 Jahren

Leider nicht im Kino gesehen ganz krass und radikal!!! Sensationelle Performance vom Michael fassbender aber schon nahe am unerträglichen!!!! Trotzdem Meisterwerk!!!!!!


movie world filip

vor 12 Jahren

kontroversiel, chockierend - interessante dialogen


arcenciel

vor 14 Jahren

Ein ziemlich beklemmendes Meisterwerk, dass einfach durch die Kraft der Bilder eine unglaubliche Wirkung entfaltet und der den Druck bzw. die Qual beider Seiten, d. h. Häftlinge und Gefängniswärtern gerecht wird.
Absolut empfehlenswert!


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