Blind Loves Slowakei 2008 – 78min.

Filmkritik

Wie im Märchen

Sonja Eismann
Filmkritik: Sonja Eismann

Klingt traurig und düster, ist aber das genaue Gegenteil: ein slowakischer Dokumentarfilm über vier Blinde und ihre Lieben ist so lustig und rührend wie ein tschechischer Märchenfilm.

Peter lebt mit seiner dicken, ebenfalls blinden und meistens an irgendeinem Pullover strickenden Frau in einer kleinen Wohnung. Er arbeitet als Klavier- und Gesangslehrer an einer Primarschule für sehbehinderte Kinder. Wenn er bei offenem Fenster repetiert, kann es schon mal sein, dass ein Vögelchen hinein geflogen kommt und kurz auf seinem Klavier eine Pause einlegt. In seiner Freizeit hört er dramatische Hörspiele und malt sich aus, wie es wohl wäre, einmal das Meer zu sehen.

Miro ist nicht nur blind - er ist auch noch ein Rom. Das gefällt den Eltern der fast vollständig blinden Monika, in die er sich verguckt hat, gar nicht. So müssen sich die beiden in ihrem Dorf heimlich treffen und Miro lebt in der ständigen Angst, dass seine dunklere Hautfarbe, die Monika ja gar nicht wahrnehmen kann, die beiden letztlich auseinander bringen wird.

Elena und Laco bekommen ein Kind und befürchten, dass man es ihnen wegnehmen könnte, da sie beide blind sind. Um sich besonders gut auf das Leben mit einem Baby vorzubereiten, übt Elena an einer kleinen Puppe. Was aber passiert, wenn ihr Kind auch blind ist? Was, wenn es sehen kann und mit zwei blinden Eltern leben muss?

Zuzka ist ein ganz normaler Teenager, der gerne beim Chatten flirtet. Da ihr Gegenüber nicht sehen kann, dass sie blind ist, stellt sie sich vor, dass das so mit dem Verlieben leichter funktionieren wird. Aber ist das wirklich so?Der junge slowakische Regisseur Juraj Lehotsky hat seine ProtagonistInnen in einem langwierigen Prozess ausgesucht und dann über drei Jahre hinweg mit der Kamera begleitet.

Was als Konzept zunächst gewollt und sozial-engagiert bedrückend klingt, entpuppt sich im Ergebnis als das genaue Gegenteil: Alltag und Interaktion der Blinden, die sich - logischerweise - völlig unbefangen vor der Kamera bewegen, sind von so einer selbstverständlichen Leichtigkeit, dass man nicht anders als gerührt sein kann. Verstärkt wird dieser Eindruck noch durch die schlicht sozialrealistischen Bilder, in denen Kameramann Juraj Chlpík die einfachen bis ärmlichen Lebensumstände der Dokumentierten einfängt.

Trotz dieses poetischen Realismus gibt es auch phantastische Elemente, in denen man sich in einem tschechischen Märchenfilm wähnt - wenn sich etwa Lehrer Peter in einer Trickfilmsequenz zu einer Begegnung mit einem Oktopus unter die Meeresoberfläche träumt. Und wenn er dann noch mit seinem blinden Schülerchor in der örtlichen Kirche ganz konzentriert über die unsichtbaren Wünsche der blinden Kinder singt, möchte man am liebsten gleich losheulen. Warum auch nicht? Im Dunkeln sieht's ja niemand.

17.02.2024

5

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Kommentare

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ramsay

vor 15 Jahren

Wundervolle Bilder. Protagonisten zum Lieben und emphatische Geschichten.


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