Telling Strings 2007 – 59min.

Filmkritik

Ein Leben im Zwiespalt

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Dokumentarfilm über eine Suche nach Wurzeln und Identität, aber auch ein Zeitbild, das nahe an den Menschen ist: Die Berner Filmemacherin Anne-Marie Haller begleitete die Musikerin und Sängerin Kamilya Jubran in ihre Heimat Palästina.

Der Oud ist eine Kurzhalslaute aus dem Nahen Osten, eine Vorläuferin der europäischen Laute. Das Instrument kam mit den Mauren nach Andalusien und mit den Kreuzrittern nach Europa. Das Instrument gab es wohl schon bei den Sumerern und im alten Ägypten. Elias Jubran, geboren 1933, kam vom Oud nicht mehr los, als er ihm als junger Mann zum ersten Mal begegnete. Da es diese spezifische Laute in seiner Heimat nicht zu kaufen gab, griff er zur Selbsthilfe und wurde Instrumentenbauer. Elias erzählt seiner Tochter Kamilya auch, wie sein Dorf 1948 besetzt wurde und die Palästinenser vertrieben wurden. Er harrte aus - als christlicher Palästinenser, ein Bürger zweiter oder gar dritter Klasse. Es sei besser, sagt er, als minderer Bürger in Israel zu leben, als als rechtloser Flüchtling in einem arabischen Nachbarstaat.

Tochter Kamilya, Oud-Spielerin und Sängerin der Gruppe Sabreen, lebt zwischen Paris und Bern. Sie hat ihr Elternhaus im palästinensischen Städtchen Al-Rameh besucht. Wir werden Augenzeuge, wie der alte Herr in seine Oud-Welt eintaucht, mit Akribie und Liebe ein Instrument baut und seinen Kindern überreicht. Kamilyas Brüder sind ebenfalls von Musik geprägt. Khaled Jubran studierte westliche Musik und leitet ein Zentrum für arabische Musik. Rabea spielt das alte arabische Instrument Buzuq. Sie alle bekennen sich zu ihren Wurzeln, konnten sich aber im Gegensatz zu ihrem Vater Freiräume erobern. Gleichwohl bleibe der Status als Araber mit israelischem Pass zwiespältig und unbefriedigend, klagt Kamilya, ihr blieben viele arabische Staaten wie auch das Westjordanland verschlossen.

Diese Reise von West nach Ost berührt existenzielle Fragen - freilich einseitig aus palästinensischer Sicht. Die israelischen "Besatzer" bleiben Schemen, Feindbilder. Die gesellschaftspolitische Problematik wird wiederholt angesprochen und mit Bildern von der Mauer in Israel, Kriegsszenen oder Kriegsgerät illustriert. Die Berner Filmerin Anne-Marie Haller konzentriert sich auf die familiären Begegnungen, auf den kulturellen Boden und die Auseinandersetzung der Kulturen. "Telling Strings" bleibt durchwegs dem Privaten verhaftet, beschränkt sich auf die Suche und Frage nach Identität. Das macht den Film zwar ansehnlich, aber der grosse Spannungsbogen fehlt. Auch hätte man sich breitere musikalische Passagen gewünscht.

07.08.2008

3

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