CH.FILM

L'autre moitié Schweiz 2007 – 89min.

Filmkritik

Bruderkampf der Kulturen

Thomas Hunziker
Filmkritik: Thomas Hunziker

Migration ist das wiederkehrende Thema in den Werken von Rolando Colla. Auch in «L'autre moitié» erzählt der Schweizer Regisseur von Grenzgängern. Das über weite Strecken gelungene Drama über zwei entfremdete Brüder stellt die Frage nach der Identität von Menschen, die in verschiedenen Kulturen aufgewachsen sind.

Der 40-jährige Algerier Hamid lebt in Brüssel und arbeitet als Kurier für ein Hawala-Netzwerk, durch das arabische Organisationen illegal Geld überweisen und das im Verdacht steht, Terrorakte zu finanzieren. Als er einen Anruf von seinem Bruder Louis aus der Schweiz erhält, den er 35 Jahre lang nicht mehr gesehen hat, vermutet er zuerst die Polizei hinter dem Anruf. Er reist dennoch zu Louis, weil er hofft, seine angeblich schwer verletzt im Spital liegende Mutter noch zu treffen, bevor es zu spät ist. Doch die Mutter lebt schon nicht mehr.

Als Hamid erfährt, das seine Mutter bereits gestorben ist, will er nach Brüssel zurück. Aber die Brüder geraten in eine Polizeikontrolle und Hamid wird verhaftet und verhört. Er soll über das Netzwerk und über seine Arbeit als Kurier Auskunft geben, doch er weigert sich. Am nächsten Tag kommt er gegen Kaution wieder frei. Er weiss jetzt, dass die Polizei tatsächlich hinter ihm her ist, aber viel lieber wüsste er, welche Rolle sein Bruder, der die Kaution von 30'000 Franken hinterlegt hat, in der Sache spielt.

Die Stärken des Films von Rolando Colla liegen eindeutig in der Auseinandersetzung der beiden Brüder, dem von Colla beabsichtigten «Annäherungskampf». Der Regisseur und Drehbuchautor erzählt die Geschichte einer gescheiterten Migration. Louis ist bei seiner Schweizer Mutter aufgewachsen, Hamid nach dem Tod seines Vaters beim Grossvater in Algerien. Nachdem er wegen seiner Zugehörigkeit zur islamistischen FIS (Front islamique du Salut) im Gefängnis gelandet ist, flüchtete er nach Europa. Dort bewegt er sich ebenfalls in einem Grenzbereich der Legalität.

Die ungleichen Erfahrungen in ihrem Leben sorgen dafür, dass die Brüder durch unterschiedliche Erwartungen und Kulturen getrennt werden. Dennoch möchten sie gerne mehr über ihre «andere Hälfte» erfahren. Die Herantastung zwischen Neugier und Ablehnung, Misstrauen und Zuversicht gestaltet Colla beklemmend und eindringlich. Aus der Konfrontation zwischen dem emotional abgekapselten Hamid und dem aufdringlich aufgeschlossenen Louis erzeugt Colla eine fesselnde Spannung.

Da Colla sein Brüderdrama allerdings als Politthriller angelegt hat, verliert sich die Handlung gegen Ende in den Konventionen des selbst auferlegten Genres. Daran droht der Film beinahe zu zerbrechen. So wird die zuvor sehr subtil eingestreute politische Botschaft durch Einsatz einer Spezialeinheit der Polizei und eine Flucht mit ungelenkem Schusswechsel überdeutlich ausformuliert.

11.06.2008

4

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