Crossing the Bridge: The Sound of Istanbul Deutschland, Türkei 2005 – 90min.

Filmkritik

Perlen tauchen im Bosporus

Stefan Gubser
Filmkritik: Stefan Gubser

"Gegen die Wand" lief Fatih Akin zuletzt und wurde dafür mit einem Goldenen Bären belohnt. Für seinen neuen Film begab sich der berühmteste Deutschtürke der Welt dahin, wo Orient und Okzident sich Gute Nacht sagen. Heimgekehrt ist er mit einer faszinierenden Dokumentation über die Musikszene Istanbuls.

Da schlägt einer neue Töne an, möchte man meinen, wenn man den Namen Fatih Akin hört und Dokumentarfilm und erst noch einer über Musik. Stimmt nicht ganz: Akin hat schon in jungen Jahren dokumentarisch gearbeitet ("Wir haben vergessen zurückzukehren"), und "Crossing the Bridge" ist eine Art Sequel von "Gegen die Wand", jener Culture-Clash-Tragödie, für die Akin an der Berlinale 2005 mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet wurde.

In "Crossing the Bridge" begleitet Akin den Mann nach Istanbul, dem er die Tonspur von "Gegen die Wand" verdankt. Alexander Hacke, hauptberuflich Bassist der Berliner Avantgarde-Rocker "Einstürzende Neubauten" und nebenamtlich Toningenieur und Soundtracker, hatte schon für Akins letzten Film in der türkischen Haupstadt Musik aufgezeichnet. Fasziniert von der musikalischen Vielfalt der Mega-Metropole am Bosporus, überzeugte er Akin, sie filmisch zu porträtieren.

Und so sieht das aus: Hacke, bewaffnet mit seinem digitalen Aufnahmegerät, lässt sich auf seinen krummen Beinen durch die Strassen der Stadt treiben, hängt in den Clubs ab und trifft sich mit Bands und Musikern aller (un)denkbaren Szenen und Stile. Man quatscht, politisiert, rockt ab - und "Hervé Dieu" hält einfach immer voll die Kamera drauf. Auf die neopsychedelische Band Baba Zula zum Beispiel, die Hacke gleich als Bassisten einbaut. Da sind junge HipHopper, die sich CEZA nennen, dezidiert vom amerikanischen "Gangsta Rap" distanzieren und Flyer drucken, auf denen Saddam Hussein als DJ arbeitet. Hacke begegnet dem türkischen Altstar Orhan Gencebay, lässt die kurdische Sängerin Aynur in einem Hamam singen, findet Strassenmusiker, Roma-Klarinettisten und Erkin, dem Ur-Vater des Türk-Rocks, und vollständig wäre diese Liste endlos, Baby.

Wenn man Akin, der Hackes unzählige Begegnungen unaufgeregt als linearen Reisebericht erzählt, etwas vorwerfen kann, dann, dass er in "Crossing the Bridge" fast zu viele musikalische Perlen versammelt. Aber das ist im Grunde ja auch ein Kompliment.

18.05.2021

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