9 Songs Grossbritannien 2004 – 69min.

Filmkritik

Pop und poppen

Benedikt Eppenberger
Filmkritik: Benedikt Eppenberger

Man schätzt den Briten Michael Winterbottom als experimentierfreudigen Filmautor. In «9 Songs» kombiniert er Popsongs radikal unaufgeregt mit Pornografie. Das Resultat? Ein Film, der vor allem zeigt, nicht psychologisiert und kaum Erklärungen liefert.

Selbst die abgebrühtesten Pornofilmer versuchen, ihren Fick-Orgien jeweils eine Art Storyline zu verpassen. Man will den Konsumenten ja nicht verwirren, sondern gefügig machen. Sie kennen das: Früher waren es Handwerker, Milch- und Postmänner, die jeweils zweimal klingelten und es der Hausfrau nach Einlass dann besorgten. Heute treffen sich Glamourgirl und Chippendale in Büro, Disco oder Gym-Fit und vögeln dann nach standardisiertem Vorspiel das Hirn aus dem Kopf.

Michael Winterbottom beginnt seine Geschichte mit einem starken Bild. Verloren schwebt ein Flugzeug über dem ewigen Eis der Antarktis. Aus dem Off hören wir die Stimme eines Mannes - jene von Klimaforscher Matt (Kieran O'Brien) -, der übers Leben und seine vergangene Beziehung mit Austauschstudentin Lisa (Margot Stilley) spricht. Es folgt die Überblendung vom gleissenden Weiss ins schummrige Halbdunkel eines Konzertsaals, wo sich die Jungs vom Black Rebel Motorcycle Club fragen: «Whatever happened to my Rock and Roll?»

Wir werden noch einige Male zurückkehren in die Leere der Antarktis. Doch vornehmlich erleben wir das Paar Matt und Lisa, die sich Konzerte von «The Von Bondies», «Elbow», «Primal Scream», «The Dandy Warhols», «Super Furry Animals», «Franz Ferdinand» und Michael Nyman reinziehen. Die Zeit zwischen den Gigs vertreiben sich die beiden mit Sex, Sex und noch mal Sex. Drogen sind mit im Spiel. Doch: who cares? Dieser Umstand ist so bedeutungslos wie die Gespräche, die eher zur Geräuschkulisse, denn zur Story gehören. Gezeigt werden mit dem Geficke nicht die Entgrenzung, sondern die Grenzen der Kommunikation.

Sex wird abgebildet, mehr nicht. Musik wird übertragen, mehr nicht. Eine Beziehung wird umrissen, mehr nicht. Zu sehen gibt's zwar unverschämt viel, doch trägt dies - im Gegensatz zum Anspruch der Pornografie, «Wahrheit» übers Ficken zu zeigen - kaum zur Aufklärung, zum besseren Verständnis der Beziehung bei. Eher umgekehrt. Man probiert gleich ein paar Dinge aus (Fesselspiele, Koks). Dann ist aber Schluss (Lisa kehrt wieder in die USA zurück), und der Alleingelassene fliegt in die Antarktis, um dort nach Informationen aus der Vergangenheit zu bohren.

Es wird Leute geben, die werden sagen, Winterbottoms Experiment lasse sie kalt. Möglicherweise geschieht gerade dies mit Absicht, und es war Winterbottoms Idee, einen Porno zu drehen, in dem alles beiläufig geschieht und in dem die Mythenmaschinen Sex und Popmusik für einmal demystifizierend wirken und nicht automatisch die vorhersehbaren «Wahrheiten» (d.h. Wichsvorlagen) liefern. Also lässt er einfach alles geschehen, als sei weiter nichts dabei. Ein seltsamer Film.

10.11.2020

3.5

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Kommentare

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movie world filip

vor 12 Jahren

unkonventionelle musik film, musik und liebe... cool und sexy


sweetykim

vor 18 Jahren

Wer diesen Film gut findet, hat wohl ein unbefriedigtes Sexleben.


sweetykim

vor 18 Jahren

Also ich habe etwa nach einer Viertelstunde den Film bereits scheisse gefunden ehrlich. Tut mir leid, aber da reut mir das Geld für die Vorstellung. Dieser Film ist nichts anderes als eine Wixvorlage...


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