Interview

Russell Crowe: «Übung macht den Meister.»

Patrick Heidmann
Interview: Patrick Heidmann

Russell Crowe meldet sich mit einer waschechten Komödie zurück: «The Nice Guys» mit Ryan Gosling ist ab dem 2. Juni auf Schweizer Leinwänden zu sehen.

Russell Crowe: «Übung macht den Meister.»

Mit einer Skinhead-Rolle im australischen Drama Romper Stomper sorgte Russell Crowe Anfang der Neunziger Jahre erstmals für Aufsehen, wenig später gelang ihm als Polizist in L.A. Confidential auch in Hollywood der große Durchbruch. Fortan war der gebürtige Neuseeländer nicht nur regelmäßig Anwärter auf den Oscar (den er für Gladiator auch gewann) und hatte ein Dauerabo auf dramatische, anspruchsvolle Rollen in Filmen wie A Beautiful Mind, Master & Commander, American Gangster oder Robin Hood. Nun meldet sich Crowe, der auch immer mal wieder mit Handgreiflichkeiten für Schlagzeilen sorgte, allerdings mit einer waschechten Komödie zurück.

Russell Crowe, in The Nice Guys sehen wir eine Seite von Ihnen, die Sie bisher kaum gezeigt haben: heiter, leichtfüßig, amüsant. War das eine besondere Herausforderung für Sie?

Ehrlich gesagt nicht. Was Sie da auf der Leinwand gesehen haben, ist einfach nur Teil einer ganz gewöhnlichen Veränderung. Als junger Schauspieler war ich – wie wahrscheinlich viele – besonders interessiert an düsteren, schweren Stoffen und spürte diesen Drang, in menschlichen Abgründen zu stöbern. Das finde ich auch heute alles nicht verkehrt. Aber die Dringlichkeit ist eine andere. Ich habe mich so vielen körperlichen, intellektuellen und emotionalen Herausforderungen gestellt, dass es zwischendurch auch mal ganz gut ohne geht. Es gibt nicht viele Gipfel, die ich als Schauspieler nicht schon erklommen habe.

Ist denn Russell Crowe heute ein anderer als der, den wir vor rund 20 Jahren in L.A. Confidential kennenlernten?

Ohne Frage habe ich mich verändert. Aber weniger als Mensch denn als Schauspieler. Früher war ich jemand, der während eines Drehs am liebsten in einer selbst kreierten Blase blieb. Ich wollte möglichst gar nicht raus aus der Rolle, weil ich Angst hatte, dass ich die nötige Stimmung, die Emotionen der Figur nicht ohne weiteres wiederherstellen kann. Heute weiß ich dagegen, dass ich diese Blase jederzeit verlassen und wieder betreten kann. Inzwischen kann ich mit dem Regisseur oder Kollegen beisammen stehen und lachen und sofort wenn die Kamera läuft mit 100% bei der Sache und ein komplett anderer sein.

Und wie haben Sie das gelernt?

Ach, das hat einfach das Alter mitgebracht. Oder wahrscheinlich eher die Erfahrung. Übung macht den Meister, ist doch so. Ein Pianist, der beim ersten Mal noch an Rachmaninoff verzweifelt, wird nach dem zehnten seiner Stücke auch schon sehr viel besser damit zurechtkommen. Aber verstehen Sie mich nicht falsch: das heißt nun nicht, dass ich heutzutage auf Autopilot schalten kann. Ich bin immer noch mit dem gleichen Einsatz bei der Sache wie früher. Nur weiß ich eben besser, wie es geht.

Haben Sie in all den Jahren je die Leidenschaft für die Schauspielerei verloren?

Oh nein, die brennt lichterloh wie eh und je. Ich bin genauso ehrgeizig und ambitioniert wie früher, bisweilen geradezu überambitioniert. Ich liebe meine Arbeit, Filme sind mein Leben. Aber es ist sicher nicht verkehrt, dass ich mir selbst im Laufe der Zeit einige Flausen ausgetrieben habe.

Welche meinen Sie denn?

Nehmen wir mal The Nice Guys als Beispiel. Früher hätte ich wahrscheinlich hier gesessen und Ihnen ganz prätentiös erzählt, welche Siebziger Jahre-Filme ich mir alle zur Vorbereitung angeschaut habe. Und natürlich hätte mir das auch nicht geschadet. Aber heute weiß ich eben auch, dass eine solche Vorbereitung in diesem Fall nicht nötig ist. Bei einer Actionkomödie wie dieser kommt es einzig und allein darauf an, was zwischen den Worten «Action» und «Cut» passiert. Und um in diesem Zeitraum präsent, hellwach und spontan zu sein, muss ich nicht wochenlang überflüssiges Zeug recherchieren.

In diesem Fall spielte natürlich auch die Chemie mit Ihrem Filmpartner Ryan Gosling eine große Rolle...

Klar, und die war bei uns einfach da, wie selbstverständlich. Wobei ich da auch gleich einhaken will, denn ich mag all dieses Gequatsche über die «Chemie» zwischen Schauspielern nicht. Die Sache ist nämlich keine Zauberei. Es geht einzig und allein darum zuzuhören. So einfach ist das! Ryan und ich haben einfach so kommuniziert, wie wir das auch im echten Leben tun würden. Bei uns gab es keine Spielchen, keine Absprachen, keine Tabus, sondern einfach nur vollkommene Offenheit. Wenn Ryan etwas gesagt hat, dann habe ich darauf reagiert. Und wenn er einen Schritt nach links gemacht hat, dann habe ich eben nachgesehen was es denn dort Spannendes gibt.

Eine weitere Hauptrolle in The Nice Guys spielt Los Angeles. Mögen Sie die Stadt?

Als ich vor vielen Jahren das erste Mal nach L.A. kam, hatte ich Muffensausen. Die Stadt ist einfach riesig groß, und dazu gibt es ja kaum einen Ort, über den man so viele – zum Teil ganz schön düstere – Geschichten hört. Gleichzeitig ist Los Angeles aber eben auch die Stadt, die wie keine zweite mit den Träumen meiner Kindheit verbunden ist. Und die – jeden Tag aufs Neue – ihre Flügel ausbreitet für all die Träumer, die Zigeuner, die Geschichtenerzähler dieser Welt und sie willkommen heißt.

Sie haben früher zu Protokoll gegeben, dass Sie niemals dort Leben würden...

Oh Mann, dieses Zitat aus den Neunziger Jahren verfolgt mich bis heute. Aber dazu muss man auch sagen, dass die Stadt damals eine vollkommen andere war. Als ich nach L.A. kam, waren die Unruhen nach der Misshandlung Rodney Kings durch weiße Polizisten noch nicht lange her. Damals prägten Gewalt und Rassismus die Stadt. Heute kann ich Los Angeles viel abgewinnen und halte mich gerne dort auf. Auch weil ich so viele tolle, kreative Menschen dort kenne, mit denen ich gerne Zeit verbringe. Das ist wichtig, denn das Privatleben findet in L.A. hinter verschlossenen Türen statt, in den Wohnzimmern der Leute. Alles was in den Restaurants und Nachtclubs passiert, ist Business, nicht Vergnügen.

Nicht nur L.A. hat sich verändert, sondern auch die Filmbranche. Wie nehmen Sie die Umbrüche der letzten Jahre war?

Dass es immer weniger Zeit und immer weniger Geld gibt, um spannende Filme umzusetzen, ist natürlich nicht zu übersehen. Und wir Schauspieler rangieren in der Wichtigkeit oft nur noch unter ferner liefen. Dass letzte Mal zum Beispiel, dass ich einen Film gedreht habe, bei dem die Schauspieler wirklich Zeit für Vorbereitung und Proben hatten, war 2009. Sehr bedauerlich. Deswegen habe ich genau darauf meinen Fokus gelegt, als ich mit The Water Diviner vor zwei Jahren meine erste eigene Regiearbeit verantwortete. Schauspieler brauchen Aufmerksamkeit und Zeit. Denn bei aller Energie und Leidenschaft, die sie mitbringen, sind sie in der Regel auch ziemlich schüchtern.

Wie bitte? Schüchtern? Das gilt aber sicherlich nicht für Sie, oder?

Doch, natürlich. Ich habe sehr lange gebraucht, meine Nervosität und mein Lampenfieber in den Griff zu bekommen. Meine gute Freundin Jodie Foster hat mich mal damit aufgezogen, dass ich immer fürchterlich ernst werde, wenn ich nervös bin. Und sie hatte Recht! Bei großen Szenen oder viel Text wurde ich immer unfassbar still, so dass alle um mich herum immer dachten, ich sei grimmig oder arrogant. Heutzutage bin ich da zum Glück etwas lockerer. Denn wir hatten es ja schon davon: Übung macht den Meister.

Dann schlagen wir doch noch einmal den Bogen zurück zum Beginn des Gesprächs. Denn auch in Ihrem zweiten Film in diesem Monat – dem Drama Fathers and Daughters – spielen Sie eine Rolle, in der man Sie sich noch vor einigen Jahren kaum hätte vorstellen können...

Auch das bringt das Alter mit sich. Man sollte als Schauspieler immer versuchen, ein realistisches Bild davon zu haben, wofür man in Frage kommt. Wenn ich mit 52 Jahren immer noch versuche, den jungen Helden zu spielen, dann bin ich ein Idiot. Und bringe mich um tolle Rollen. Früher war ich der Sohn, heute bin ich eben der Vater. Ist doch super. Und wenn ich lange genug durchhalte, bin ich auch irgendwann der Opa. Dann hoffe ich, dass jemand ein Remake von On Golden Pond dreht und ich die Henry Fonda-Rolle bekomme. Dafür hat er damals mit Ende 70 noch einen Oscar gewonnen!

30. Mai 2016

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