Interview

Roland Emmerich: «Bei mir fliesst nie Blut»

Stefan Gubser
Interview: Stefan Gubser

Keiner hat das Weisse Haus öfter in Schutt und Asche gelegt als er – wir haben ihn in Berlin gelöchert: Sprengmeister Roland Emmerich über Gewalt und Unterhaltung, Barack Obama und Tierfilme.

Roland Emmerich: «Bei mir fliesst nie Blut»

In White House Down sprengen Sie bereits zum dritten Mal das Weisse Hause in die Luft. Wird's nicht langsam langweilig?

Bei Independence Day stellte sich die Frage, welches Gebäude in Washington in die Luft fliegen soll. Erst hatten wir das Capitol im Visier, aber es war natürlich wesentlich brisanter, wenn gleich das Weisse Haus in die Luft fliegt – das war ein echter Schock. Bei 2012 war die Ewartungshaltung anders: Da hätte sich jeder gewundert, warum diesmal nicht das Weisse Haus hoch geht.

Im Falle von White House Down brauchte ich nur den Titel zu hören, um zu wissen: Ohne mich, jetzt wird es langsam absurd. Aber das Drehbuch war einfach zu gut. Kam noch hinzu, dass ich meinem eigenen Stoff gerade stecken geblieben war.

Das kommt bei Ihnen vor?

(lacht) «Singularity» heisst das Projekt. Da geht es um die den nächsten Schritt in der Evolution: Was wäre, wenn Menschen plötzlich unsterblich werden? Also als Computer. Irgendwie.

Auch über Olympus Has Fallen müssen wir sprechen: Bekanntlich derselbe Film wie White House Down, dummerweise aber etwas früher in den Kinos. Sind Sie laut geworden?

Hätte ich das gewusst, als ich zusagte, hätte ich White House Down nicht gemacht. Ich habe mich immer geärgert, wenn zur selben Zeit zwei Filme über das genau gleiche Thema gedreht wurden.

Wobei die Zeit jetzt wieder für Sie spielt, wenn man sich die aktuellen Debatten anschaut. Stichwort: Greifen die USA in Syrien ein?

In Amerika ist die Anti-Obama-Stimmung das grosse Problem, die von der rechtskonservativen Presse gesteuert wird. Das ist sicher kein Zufall. In China und Japan ist White House Down sehr gut angelaufen.

Ist denn diese Form der Action überhaupt noch zeitgemäss? Was die Snowden-Geschichte ja auch gezeigt hat: Die wahre Action spielt sich in den Synapsen des Internets, den Transitzonen auf Flughäfen oder in den Halbdunkelkammern der NSA ab.

Man muss sich schon auch immer vor Augen halten, dass es lange dauert, bis ein Film fertig ist. Aktualität kann in einem Film immer nur begrenzt eine Rolle spielen.

Aber selbst wenn man Unterhaltung macht, muss man sich genau überlegen, was wichtig ist in der Welt dieser Tage. Und das ist natürlich das Internet im negativen, aber auch im positiven Sinne. White House Down spricht sich auch ganz klar gegen die Waffenlobby in Amerika aus.

Muss man tief durchatmen, wenn ein Film so deutlich hinter den Erwartungen zurückbleibt – gerade in Amerika?

Klar, das war ein Schock. Der Film hatte vielleicht nach Independence Day die vielleicht besten Testergebnisse, die ich je hatte. Alle gingen davon aus, dass das ein Hit wird. Aber so geht es halt nicht in Amerika. Du musst im Zeitgeist liegen, und das tun wir mit White House Down nun mal nicht. Es gibt diese Kritik an Barack Obama, rechte Zeitungen bezeichneten den Film als «Obama-Porno». Da bleiben dir gleich mal 50 Prozent der Leute weg.

Sie sagen von sich, Sie könnten sich keine Tierfilme anschauen, weil Sie es nicht aushalten, wenn Tiere sich gegenseitig umbringen. Menschliches Töten scheint Ihnen nichts auszumachen. Weshalb?

In meinen Filmen fliesst nie Blut, ich hasse es, wenn Blut durch die Gegend spritzt. Bei mir sollen auch Gewalt und Brutalität einen gewissen Unterhaltungswert haben, da muss immer Humor mit drin sein. Ich frage mich bei Filmen mit sehr viel Gewaltdarstellung oft: Will ich mir das wirklich antun?

Verharmlosen Sie so aber die Gewalt nicht?

Klar, das tun wir. Aber bei mir gewinnen wenigstens die Guten. Ich würde mich anders fühlen, wenn ich Shooter-Games entwickeln würde, bei denen man für das Erschiessen von Leuten Punkte kriegt.

Ihre Vorstellung von Moral ist also: Es ist in Ordnung, wenn die Bösen sterben?

Nein. Aber man beweist wenigstens eine Moral, indem man zeigt, dass das Gute gewinnen muss.

Wie hat Barack Obama auf den Film reagiert?

Das weis nicht mal Jamie Foxx, obwohl die beiden befreundet sind. Aber Obama muss gerade sehr aufpassen, was er tut. Erst kürzlich wurde er dafür kritisiert, dass er einem Marine die Hand schüttelte statt ihn zu salutieren. Ein Riesenskandal. Fast wie damals, als Janet Jackson ein bisschen Nippel gezeigt hat. Um Gottes willen!

Noch ein kurzer Blick in die Zukunft: Was ist an den versprochenen Sequels zu Independence Day dran? Es sollen ja gleich zwei werden.

Wir haben uns jetzt entschieden, nur einen Teil zu machen. Die Leute müssen sagen, ob sie das noch mal sehen wollen oder nicht.

Bringen Sie Independence Day noch mal als 3D-Fassung ins Kino?

Machen wir jetzt doch nicht. Die Zeit dieser 3D-Re-Releases scheint bereits wieder vorbei zu sein.

4. September 2013

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