Beuys Deutschland 2017 – 107min.

Filmkritik

Ein politischer Künstler mit Weitsicht

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Der Mann mit Hut und Filzmantel ist ein Phänomen. Er hat bewegt, provoziert und die Kunstszene in den Sechziger- und Siebzigerjahren wesentlich mitgeprägt. Joseph Beuys (1921-1986) hat seine Auffassung von Kunst gelebt. Der deutsche Filmer Andres Veiel schuf mit seinem Film kein konventionelles Künstlerporträt, sondern eine komplexe, philosophische Lebens- und Leistungsschau – anschaulich, tiefsinnig und authentisch.

Der Filzhut war sein Markenzeichen, seine Arbeiten mit Fett eine seiner nachhaltigen Provokationen. «Beuys war von der Einzigartigkeit des Menschen überzeugt. Er sah in jedem Menschen ein Potenzial von aktiver gesellschaftlicher Gestaltungskraft. Geschichte passiert uns nicht, sondern wir sind es selbst, die sie gestalten», bemerkt Andres Veiel in seiner «Director's Note». Der Filmer hat Unmengen von Dokumenten gesichtet und ausgewertet (400 Stunden Bild- und 300 Stunden Audiomaterial, über 20 000 Fotos). 30 Jahre nach dem Tod des Aktionskünstlers, Bildhauers, Zeichners, Theoretikers, Philosophen, Professors an der Kunstakademie Düsseldorf und Aufführers ist sein Werken und Wirken nach wie vor wichtig und bedeutsam. Er war sich damals schon über die fatale Wirkung des Geldes bewusst, über die Macht des Geldes in der Demokratie und überhaupt: «Heute ist Geld eine Ware, die handelbar ist», äusserte sich Beuys vor 40 Jahren. «Man kann damit spekulieren. Das heisst, Geld ist im Wirtschaftsbereich ein Wesen, das nicht Ware sein darf. Da es aber Ware ist, muss dieser Charakter in eine demokratische Totalität überführt werden.»

Joseph Beys, der Mann mit Hut und Mantel, Fett und Filz, hat seine Auffassung von Kunst und Können gelebt und umgesetzt. Der Filmer Andres Veiel (Kick, Wer wenn nicht wir) schuf mit seinem Dokumentarfilm kein von Fakten getränktes Biopic, sondern eine komplexe, philosophische Lebens- und Leistungsschau. Beuys ist derjenige, der spricht, deutet, beschreibt – vor allem seine Beweggründe, Absichten und Einsichten. Dazu kommen Stimmen von Kennern, Kritikern, Freunden wie der englischen 72jährige Kunsthistorikerin und Kuratorin Caroline Tisdall, wie Beuys-Schüler Johannes Stüttgen, Künstler und Herausgeber Klaus Staeck. Wichtige Existenz-Schlüsselpunkte - etwa der Absturz als Pilot, Krisen und Aktionen (7000 Eichen zur Documenta in Kassel 1982) - werden in Veiels Kunstwerk Beuys gewichtet und integriert.

Sein Film erweist sich als Spiegelung eines Aktionskünstlers, Weltverstehers, Philosophen und Sehers. Es sind denn auch weniger Beuys Werke (die in diesem Jahr in einer grossen Schau im New Yorker MoMa wiederzusehen sind), die Veiel «ausstellt» und herausstellt, sondern der Mensch, der Mahner und Analyst gesellschaftlicher Phänomene, Erscheinungen und Fragen. Beuys ist einer bedeutendsten Aktionskünstlers des 20. Jahrhunderts. Veiel gelingt es kommentarlos, das Phänomen Beuys mosaikartig zu beschreiben, durch sich selbst zu deuten und seine Bedeutung zu bewahren. Sein Film ist keine kritische Reflexion, kein Deutungsversuch oder Kunstvortrag, sondern ein lebendiges Zeit- und Künstlerdokument.

02.04.2024

4

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Kommentare

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VanjaSu

vor 6 Jahren

Enttäuschend. Das ist kein Dokumentarfilm, sondern eine peinliche Heldenverehrung ohne jeden Informationsgehalt.


selinaburri

vor 6 Jahren

toll.


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