Interview22. März 2018

«Thelma»: Der Shootingstar Eili Harboe über Schlangen, Stunts und Übernatürliches

«Thelma»: Der Shootingstar Eili Harboe über Schlangen, Stunts und Übernatürliches
© Outside The Box

Eili Harboe ist wohl ein Name, den man sich merken sollte: Nachdem die 23-jährige Norwegerin 2015 in «The Wave – die Todeswelle» zum ersten Mal in hiesigen Kinos zu sehen war, spielt sie im übernatürlichen Thriller «Thelma» nun die Hauptrolle und wurde an der diesjährigen Berlinale als Shootingstar ausgezeichnet.

«Thelma»: Zwischen Coming-of-Age und Mystery-Thriller

Als sich die unter seltsamen Anfällen leidende Thelma (Eili Harboe) in ihre Kommilitonin Anja (Kaya Wilkins) verliebt, wird die aus einem streng religiösen Elternhaus stammende Studentin nicht nur von Schuldgefühlen befallen. Mehr und mehr drängen auch ihre geheimnisvollen übernatürlichen Kräfte an die Oberfläche. Zwischen Coming-of-Age-Drama und Mystery-Thriller pendelnd, skizziert Joachim Triers neuer Spielfilm einen faszinierenden wie schmerzhaften Emanzipationsprozess und kleidet das mitreißend gespielte Porträt einer jungen Frau auf der Suche nach ihrer eigenen Stimme in hypnotische Bilder.

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Was bedeutet es für dich, an der Berlinale nominiert zu sein?

Eili Harboe: Es ist unglaublich. Fast ein bisschen überwältigend, ehrlich gesagt. Es gibt nur 10 Shootingstars – auch wenn du für Norwegen nominiert bist, heisst das nicht, dass du es dann in die endgültige Auswahl schaffst. Ich war sehr glücklich, als ich die norwegische Kandidatin war und dann erfahren habe, dass ich an die Berlinale kann.

Es ist eine wunderbare Erfahrung für eine junge Schauspielerin wie mich, insbesondere internationale Castingdirektoren zu treffen – wenn ich mich zurückerinnere, war das sicherlich eine der wichtigsten Dinge. Manche Berufsfelder sind in sich geschlossen – die Berlinale ist eine Möglichkeit, um Potential zu erkennen, zum Beispiel für Co-Produktionen. Und ich verstand mich auch gut mit den anderen Shootingstars, wir hatten eine super Zeit zusammen.

Einer von zehn Shootingstars: Eili Harboe während der diesjährigen Berlinale.
Einer von zehn Shootingstars: Eili Harboe während der diesjährigen Berlinale. © Berlinale 2018

«Thelma» ist eine Liebesgeschichte, spricht aber auch über Religion, Übernatürliches und Entfremdung. Was ist deine Interpretation des Films?

Eili Harboe: Ich glaube, das ist ein guter Punkt. Der Film portraitiert ein Mädchen, das von einer sehr unterdrückenden, konservativen Familie kommt – es ist auch die Geschichte über Befreiung, und wie Schande ein grosser Teil des Ganzen ist. Wenn du dich von deiner Vergangenheit und deinem Hintergrund losreissen willst, liegt etwas Schweres auf deinen Schultern, dem du nicht entkommen kannst. Was ich am Drehbuch mag, ist dass die Eltern zwar konservativ dargestellt werden, es aber viel komplexer ist als das: Ich sehe sie nicht als rein schlecht. Ich sehe ihr Verhalten als eine komplizierte Version von Liebe.

Sie meinen es gut, und das ist so beängstigend bei Religion. Der Film kritisiert nicht persönlichen Glauben, sondern eher, dass Religion die Unterdrückung von anderen Personen rechtfertigen kann. Es hängt alles miteinander zusammen. Man hat mich mal gefragt, ob es wichtig sei, dass Thelma sich in ein Mädchen verliebt. Ich glaube schon irgendwie, weil Liebe für mich universell ist und ich dem nicht einen Stempel aufdrücke. Aber um die Geschichte rund zu machen, war es bei ihrem konservativen Hintergrund wichtig, dass das ein Problem für sie ist und sie sich hin- und hergerissen fühlt zwischen ihren Gefühlen.

Wir sind in einer Zeit, in der sich einiges geändert hat – in der sich einiges ändern sollte. – Eili Harboe

Die Liebesgeschichte ist ein gutes Stichwort. Schlussendlich ist es eine Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen – egal ob hetero- oder homosexuell. Hattest du je die Befürchtung, dass sich der Film aufgrund der lesbischen Liebe zu etwas Politischem entwickeln würde?

Eili Harboe: Nein, ich bin nicht wirklich besorgt. Wir sind in einer Zeit, in der sich einiges geändert hat – in der sich einiges ändern sollte. Es kann sein, dass es heute noch eine Sache ist, dass sich ein Mädchen in ein Mädchen verliebt. Aber in der Zukunft wird das hoffentlich keine Rolle mehr spielen. Wie ich schon erwähnt habe, ist es für die Entwicklung des Plots wichtig, weil sie von diesem konservativen Hintergrund kommt, ihre Gefühle aber genau dieselben sind.

Man hat mich auch gefragt, wie es für mich war, eine lesbische Liebe darzustellen. Da werde ich fast ein wenig wütend: Es ist einfach dasselbe wie bei einer heterosexuellen Beziehung. Wenn du Liebe einmal erlebt hast, weisst du das – diese Leidenschaft, die Gefühle, auch Scham in einer gewissen Weise. Es war auch nichts, was ich mit Joachim [Joachim Trier, Regisseur von «Thelma», Anm. d. Red.] besprochen habe, weil es im Film nicht primär darum geht, sondern um die Loslösung.

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Für eine Schauspielerin ist es dennoch keine einfache Rolle, auch physisch nicht – du musstest dich schon recht verpflichten, zum Beispiel für die epileptischen Anfälle. Ich hörte aber, dass du eine Art Krampftherapie gemacht hast – kannst du ein wenig davon erzählen?

Eili Harboe: Es ist ein wenig kompliziert, ich habe es vor den Dreharbeiten auch nicht gekannt. Es ist eine Technik, die jeder lernen kann – Tiere machen das sogar immer noch. Wenn sie sich gestresst fühlen oder sich entspannen wollen, vibrieren sie. Auch die Menschen haben das vor der Steinzeit gemacht, um in gefährlichen Situationen weniger Angst zu haben und einfacher Entscheidungen fällen zu können. Wenn du das machst, bevor du eine Präsentation hast, wirst du ganz ruhig. Es kann auch gut sein, wenn man etwas Traumatisches erlebt hat. Es baut die Spannung im Körper ab. Für mich war es aber eher, um zu lernen, mich so zu bewegen. Es ist sehr technisch, sie wollten unbedingt diese Wellenbewegung. Ein epileptischer Anfall ist neurologisch – mit dieser Technik wirkte das Zittern natürlicher.

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Es gab einige weitere Szenen, die schwierig zu drehen sein mussten. Zum Beispiel die Szenen unter Wasser oder der eine Moment, in dem eine Schlange aus deinem Mund kommt. War das einfach Postproduktion oder habt ihr wirklich mit einer echten Schlange gedreht?

Eili Harboe: Das ist lustig, weil sie zuerst eine Stuntfrau engagieren wollten, um alle Szenen unter Wasser zu drehen. Ich habe aber abgelehnt und hatte dann Tauchlektionen. Ich habe es zwar nur 2 Meter tief geschafft – es war ein wenig klaustrophobisch für mich. Das habe ich dem Produktionsteam aber natürlich nicht gesagt. Ich wusste nicht, wie es sein würde, aber unter Wasser ist es wie eine komplett andere Welt.

Vor Schlangen habe ich absolut keine Angst – Ratten sind mein Objekt des Grauens. – Eili Harboe

Ich habe das noch nie erlebt.

Eili Harboe: Es ist wirklich so – sehr angespannt. Ich habe aber alle Stuntszenen selber gedreht, bis zum allerletzten Drehtag. Wir mussten zwei wirklich einfache Szenen im Wasser drehen, und ich bin einfach ohnmächtig geworden. Sie haben mich dann rausgeholt, und es hat sich herausgestellt, dass ich einen Infekt in beiden Ohren hatte. Der Arzt hat mir verboten, weiter zu tauchen, weil mein Trommelfell hätte platzen können. Hinzu kam, dass ich Hautirriationen hatte vom vielen Schwimmen im zum Teil bis zu -15 Grad kalten Wasser.

Zuerst war ich sehr enttäuscht von mir, aber jetzt bin ich glücklich mit dem Ergebnis. 99 Prozent sind von mir selbst, nur zwei Szenen musste ich abgeben. Wir haben zum Beispiel wirklich mit einer Schlange gedreht. Es gab eine Szene, die es aber dummerweise nicht in den Film geschafft hat, in der ich im Bett liege und die Schlange unter der Decke auf meinen Oberschenkeln liegt. Ich entdecke sie dann und töte sie mit meinem Biologiebuch. Die Szene ist echt cool geworden, aber für das Kinopublikum war sie beim Test-Screening wohl zu irritierend. In den Mund habe ich die Schlange aber nicht genommen, das wäre definitiv zu gefährlich – Angst habe ich aber absolut keine vor den Tieren, Ratten sind mein Objekt des Grauens.

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Im Film hatte es nur Vögel und Schlangen.

Eili Harboe: Ja, und die Schlange im Mund war aus Silikon. Ich musste mir sogar Mühe geben, nicht zu lachen – die Situation war so skurril.

Aber die Szene ist super. Glaubst du an Übernatürliches oder hast je etwas in diese Richtung erlebt?

Eili Harboe: Das ist lustig. Als wir in Schweden gedreht haben, habe ich einmal die Schlüsselkarte in meinem Hotelzimmer herausgezogen, die Lichter sind ausgegangen, ich bin zu Bett gegangen – und die Lichter gingen einfach wieder an. Das ist passiert. Und ich bin aufgewacht und dachte, dass meine Nase läuft, habe dann aber vor dem Spiegel gemerkt, dass ich Nasenbluten habe – einen Tag, bevor ich die Szene drehen musste, in der das Thelma im Film passiert. Das waren die zwei Sachen, die passierten. Und auch mein Unterbewusstsein war sehr aktiv, zumal ich Teil dieses Films bin und es nicht gerade eine Komödie war, die wir gedreht haben.

Ja, das glaube ich.

Eili Harboe: Ich hatte einen Traum über die Szene, in der Thelma Anja im Dunkeln ausserhalb ihrer Wohnung findet und sie einen Anfall hat. In meinem Traum war es nicht Anja, sondern ein Mann, und er sah furchtbar aus, fast wie ein Dämon. Dann versuchte ich, von ihm wegzukommen und war dann in meiner eigenen Wohnung, aus der ich zu fliehen versuchte. Als ich aufgewacht bin, stand ich vor meiner Wohnungstür –  ich bin geschlafwandelt.

Wie sieht es in mit der Zukunft aus – was sind deine Projekte, hat sich vielleicht etwas während der Berlinale ergeben?

Eili Harboe: Im Moment nichts Offizielles, aber ich bin sehr zuversichtlich!

«Thelma» ist ab Donnerstag, 22. März in den Deutschweizer Kinos zu sehen.

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