Interview8. Februar 2024

Interview mit dem Regisseur Pierre Monnard

Interview mit dem Regisseur Pierre Monnard
© Pierre Monnard

Am 15. Februar startet der Spielfilm BISONS des Erfolgsregisseurs Pierre Monnard in den Kinos. Der Film des Freiburgers geht gleich mit 6 Nominationen ins Rennen um den Schweizer Filmpreis. Bereits im Jahr 2020 war sein Film PLATZSPITZBABY der erfolgreichste Kinofilm der Schweiz. Nach den Serien WILDER und NEUMATT realisiert er aktuell die Serie WINTER PALACE, die erste Schweizer Koproduktion mit Netflix. Trotz sperrigen Themen, die eine eher düstere Schweiz abbilden, landet Pierre Monnard einen Erfolg nach dem anderen. Im Interview mit IMAGIQUE hat er erzählt, was ihn an Randthemen fasziniert und wie es ist, die erste Schweizer Ko-Produktion mit Netflix zu drehen.

IMAGIQUE: Pierre Monnard, Sie zeigen in Ihren Filmen eine eher düstere Seite der Schweiz und bilden Menschen ab, die sich am Rande der Gesellschaft bewegen: Eine heroinsüchtige Mutter und ihre Tochter in PLATZSPITZBABY, ein junger Bauer, der mit illegalen Kämpfen den Hof der Familie retten will, so wie in ihrem neuen Film BISONS. Was fasziniert Sie an diesen eher schwierigen Themen?

Pierre Monnard: Ich erzähle vor allem gerne von der Schweiz, die man normalerweise nicht im Kino oder im Fernsehen sieht. Eine Schweiz am Rand und von Menschen, denen man nicht oft eine Stimme gibt. Seien es die drogenabhängige Mutter und ihre Tochter in Platzspitzbaby, der einsame Müllinspektor in Recycling Lily oder aktuell der Bauer, der illegale Kämpfe bestreiten muss, um sich aus einer finanziellen Misere zu befreien. Ich habe eine besondere Zuneigung für diese Figuren in der Krise, die man nicht mit dem Postkarten-Image unseres Landes in Verbindung bringt.

«Ich habe eine besondere Zuneigung für Figuren in der Krise, die man nicht mit dem Postkarten-Image unseres Landes in Verbindung bringt»– Pierre Monnard

Warum haben Sie das Thema Kampfsport gewählt? Welchen persönlichen Bezug haben Sie zum Schwingen?

Ich bin auf dem Land im Kanton Freiburg in einer Familie mit vielen Landwirten aufgewachsen. Ich verbrachte meine Sommer auf dem Bauernhof und unterstützte meine schwingenden Verwandten an den Wettkämpfen. Heute sind kleinbäuerliche Betriebe fast verschwunden und durch eine industrielle Landwirtschaft ersetzt worden. Dieser Kampf der kleinen Betriebe ums Überleben hat mich inspiriert. Um ihn auf der Leinwand darzustellen, wollte ich eine starke Allegorie: die eines Landwirts, der beschliesst, mit seinen Fäusten zu kämpfen, um das Wenige zu retten, das ihm noch geblieben ist.

«Ich hoffe, dass BISONS ein breites Publikum für die Belange der lokalen Landwirtschaft und ihren Kampf ums Überleben sensibilisieren kann»– Pierre Monnard

Inwiefern ist Ihrer Meinung nach der Schweizer Film heutzutage politisch?

Ich kann mich nur zu BISONS äussern. Auch wenn BISONS kein Thesenfilm ist, muss man feststellen, dass er mit den aktuellen Bauernprotesten in einem gewissen Zusammenhang steht. Wir erleben einen Moment der Wut und des Aufstands in der bäuerlichen Welt, weil sie sich von der Politik nicht ernst genommen fühlen. Das Kino kann dabei helfen, ihre Botschaft zu vermitteln. Kann helfen, ihre Welt sichtbar zu machen. Nicht mit Slogans, sondern mit dem Herzen. Ich hoffe, dass BISONS ein breites Publikum für die Belange der lokalen Landwirtschaft und ihren Kampf ums Überleben sensibilisieren kann.

«Die Beziehungen zu Netflix sind bislang sehr herzlich. Wir haben die Gelegenheit, uns mit Leuten auszutauschen, die eine echte künstlerische Sensibilität haben und die uns nicht - wie man erwarten könnte - von Algorithmen oder der Notwendigkeit, diesem oder jenem Publikum zu gefallen, erzählen»– Pierre Monnard

Sie sind der erste Schweizer Regisseur, der nun – nach der Annahme der «Lex Netflix*», eine Koproduktion mit Netflix dreht. Wie läuft diese Zusammenarbeit? Haben Sie als Regisseur den üblichen Gestaltungsfreiraum oder müssen Sie besondere Aspekte des Streaming-Giganten berücksichtigen?

Die Beziehungen zu Netflix sind bislang sehr herzlich. Wir haben die Gelegenheit, uns mit Leuten auszutauschen, die eine echte künstlerische Sensibilität haben und die uns nicht - wie man erwarten könnte - von Algorithmen oder der Notwendigkeit, diesem oder jenem Publikum zu gefallen, erzählen. Netflix möchte in erster Linie eine schöne Serie machen und sich der Schweizer Filmbranche vorstellen. Diese Zusammenarbeit ist eine Gelegenheit für die Plattform, ein positives Image in der Schweiz aufzubauen und eine mögliche Skepsis der hiesigen Branche bezüglich der von Netflix auferlegten Produktionsbedingungen zu zerstreuen. Die Beziehungen mit Netflix sind ähnlich wie die, die ich bei anderen Projekten mit lokalen Produzierenden erlebt habe. Netflix ist weit davon entfernt, uns in eine kommerzialisierte Internationalität zu drängen, sondern legt Wert auf die Swissness des Projekts.


Wir haben gelesen, dass Ihr nächstes Projekt ein Film über die Erfinderin von Betty Bossi sein wird. Warum dieses Thema?

Auch hier geht es um eine Geschichte, die unsere Schweizer Identität ausmacht. Betty Bossi ist eine der helvetischen Ikonen schlechthin, und die breite Öffentlichkeit weiss nichts über ihre Schöpferin Emmi Creola. Viele von uns, Männer wie Frauen, sind geprägt von Betty Bossi. Ohne sich dessen bewusst zu sein, haben Emmi Creola und ihre Figur einen grossen Einfluss auf unser tägliches Leben. Letztendlich handelt es sich aber vor allem um ein starkes Porträt einer Frau, die in der männerdominierten Zürcher Werbewelt der Fünfzigerjahre kämpft.


Danke für das Interview und viel Glück im Rennen um die Schweizer Filmpreis(e)!


BISONS - AB 15. FEBRUAR IM KINO

SYNOPSIS: Rinderzüchter Steve verbringt den Grossteil seiner Zeit mit der Arbeit auf dem Bauernhof, den seine Mutter Mathilde nach dem Tod des Vaters übernehmen musste. Daneben widmet er sich seiner grossen Leidenschaft, dem traditionellen Schwingen. Doch der Fortbestand des verschuldeten Hofes ist in Gefahr. Da taucht plötzlich der ältere Bruder von Steve auf, der zuvor drei Jahre im Gefängnis war. Dieser hat einen Plan, um den Bauernhof zu retten. Ein Film von Platzspitzbaby-Regisseur Pierre Monnard.


*LEX NETFLIX: Das neue Filmgesetz verpflichtet die globalen Streamingdienste wie Netflix, Amazon, HBO oder Disney, ab einem gewissen Betrag, vier Prozent ihres in der Schweiz erzielten Umsatzes in die Bundeskasse abzuliefern. Dies als Beitrag zur Schweizer Film- und TV-Produktion.

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