CH.FILM

Play with the Devil Schweiz 2023 – 72min.

Filmkritik

Nichts sollte heilig sein

Maria Engler
Filmkritik: Maria Engler

Die Dokumentation «Play with the Devil» folgt dem Basler Musiker Manuel Gagneux, der mit seinem Projekt «Zeal & Ardor» einen einzigartigen Genre-Mix hinlegt. Die Mischung aus Roots und Metal verbindet nicht nur scheinbar Unvereinbares, sondern birgt auch jede Menge Potenzial: für eine alternative Geschichtsschreibung, politische Sprengkraft, Personenkult und Unverständnis. Der Film spielt mit der Schwierigkeit dieses Unterfangens und zeichnet gleichzeitig die Entwicklung und kreative Arbeit des Musikers in ihrer ganzen Gegensätzlichkeit nach.

2016 erlebt die bislang wenig beachtete Musik des Schweizer Musikers Manuel Gagneux einen plötzlichen Boom. Was vorher in jahrelanger Arbeit alleine auf dem Laptop entstand, soll nun mit einer Band umgesetzt werden. Obwohl sich die Bandmitglieder kaum kennen, geht es kurze Zeit nach dem ersten Treffen schon auf Tour. «Play with the Devil» folgt diesem ungewöhnlichen Prozess und beleuchtet auch das Danach. Was passiert nach einer erfolgreichen Tournee? Wie wird Musik und Kreativität professionalisiert? Was macht die Musik mit dem Publikum? Und ist irgendwann alles gesagt?

Alles beginnt mit einem einsamen Mann in einem grauen Raum. An den Wänden kleben Sticker, alles sieht ein bisschen heruntergerockt aus, an einem kleinen wackeligen Tisch sitzt Manuel Gagneux am Laptop, nimmt ein Mikro in die Hand und schreit hinein. Dann noch einmal. Hört hin, mischt die Musik in einem steril aussehenden Programm, greift zur Gitarre, die plötzlich aus dem Off auftaucht und spielt einige kurze, schnelle Akkorde. Sonst Stille. Diese Inszenierung von kreativer Arbeit ist so völlig anders als die romantische Vorstellung, die es von Studioaufnahmen sonst zu sehen gibt. Keine Mikros hängen von der Decke, keine Wandvertäfelung, keine Gesangskabinen und vor allem – kein kreativer Input von aussen. Hier ist jemand, der völlig allein bisher ungehörte Klangwelten erschafft.

Die Dokumentation fügt Szenen wie diese klug in ein sonst atemberaubendes Erzähltempo ein – von den Aufnahmen bis zum grossen Festivalauftritt dauert es nur wenige Minuten. Eben noch vor vollen Stadien, im nächsten Moment wieder allein zu Hause. «Play with the Devil» fügt diese extrem unterschiedlichen Situationen und Gefühlswelten nahtlos aneinander. Es ist ein spannungsvoller Mix zwischen Ruhe und Lärm, Musik und Stille, Menschenmassen und Einsamkeit, der den gesamten Film durchzieht.

Kein Off-Kommentar stört die Erzählung, stattdessen wird ausschliesslich auf O-Töne und Szenen aus dem künstlerischen Alltag gesetzt. Dadurch gelingt es dem Film, viele verschiedene Themen und Gegensätzlichkeiten anzusprechen und ein vielschichtiges Bild zu schaffen, ohne alles ausbuchstabieren zu müssen. Im Vorbeigehen werden Themen wie das Spannungsfeld zwischen dem freien kreativen Prozess und dem steigenden Druck mit wachsendem Erfolg oder die Auseinandersetzung mit Sklaverei und Unterdrückung von einem europäischem Standpunkt aus angesprochen ohne dabei zum Fokus zu werden. Obwohl diese Herangehensweise durchaus Gefahr läuft, oberflächlich zu werden, lässt sie im Fall von «Play with the Devil» schlicht Raum für Gedanken des Publikums – und damit für das Beste, was einer Dokumentation passieren kann.

13.03.2023

4

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