Nope USA 2022 – 131min.

Filmkritik

Die Rückeroberung des Westens

Filmkritik: Fanny Agostino

Bei seiner grossen Rückkehr entführt uns der neue Meister des Schreckens Jordan Peele an die Westküste der USA. Der sehr bleiche Wilde Westen wird schwarz und das Übernatürliche dringt in die Prärie ein. Eine gut geölte Mischung der Genres und spiegelbildlich dazu unser atavistisches Bedürfnis nach Spektakel.

«Ich möchte Dreck auf dich werfen, dich entwürdigen und zur Schau stellen» – Mit diesem moralisch klingenden Vers beginnt «Nope». Die Kamera wird in den Schauplatz eines Massakers versetzt. Auf einem hastig verlassenen Filmset liegt der leblose Körper einer Frau. Ein Affe mit einem Geburtstagshut platzt herein, sein Maul und sein Pullover sind blutbefleckt. In fünf Minuten hat es Jordan Peele geschafft, die Szenerie einzurichten. Es muss gesagt werden, dass der Regisseur seit der Veröffentlichung von «Get Out», der 2018 mit dem Oscar für das beste Drehbuch ausgezeichnet wurde, von Kritikern als das neue Aushängeschild des zeitgenössischen Horrorfilms angesehen wird.

Der Grund für den Erfolg? Eine übergreifende Behandlung der Rassenproblematik zu einer Zeit, in der die Amerikaner immer weiter auseinanderdriften. In «Get Out» wurde der Schrecken durch die alptraumhafte Erfahrung eines Afroamerikaners gebracht, der in seine weisse Schwiegerfamilie eintaucht. In «Nope» ist die Aussage metaphorischer: Der Film thematisiert unsere individuelle Beziehung zur Unterhaltungsindustrie und zu Technologien.

Die Bedrohung, die auf dem Land von OJ und seiner exzentrischen Schwester Emerald (Keke Palmer) lastet, ist nicht menschlich. Sie hat ihren Ursprung dort oben, durch die Wolken und das Blau des Himmels. Die Überwachungskameras, die installiert werden, um die Spuren der aussermenschlichen Präsenz zu erfassen, scheitern. Das allgegenwärtige Motiv des Rahmens - sei es die digitale oder die mechanische Kamera - erinnert immer wieder an das Eingesperrtsein. Immer dieses Bedürfnis nach dem Aussergewöhnlichen, immer das Bild, um sich zu bereichern. Ob Boulevardblatt oder erfahrener Filmemacher: Ein Auslöser und klick, klack, schon ist es im Kasten. Aber zu welchem Zweck, wenn nicht zu dem der persönlichen Mast?

Jordan Peele gräbt die Vergangenheit aus, um ihre Resonanz in der Gegenwart zu zeigen. Während der Dreharbeiten erinnert sich OJs Schwester an ein reales Filmarchiv. Im Jahr 1872 legte Eadward Muybridge zwei Fotografien übereinander. Darauf ist ein schwarzer Jokey auf einem Pferd zu sehen, der in der Fiktion zu einem Vorfahren der Haywoods wird.

Die Betrachtung von «Nope» erfordert dennoch eine gewisse Zeit der Verdauung. Jordan Peele ist erfinderisch. Er verdreht die Codes des Horrors, des Westerns (die Cowboys sind schwarz und asiatisch) und der Science-Fiction (das UFO und sein Erwartungshorizont) so gekonnt, dass man etwas verblüfft ist. Der Regisseur, der bei seinen Lieblingsthemen - insbesondere beim Thema Schwarzsein in den USA - sehr feinfühlig ist, hat es geschafft, seine Obsessionen zu erweitern und gleichzeitig Redundanzen zu vermeiden. Jordan Peele ist definitiv eher ein Visionär als ein Moralapostel.



09.08.2022

4

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Kommentare

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Swisscheese

vor einem Jahr

Nope auch zu diesem Film. Ziemlich enttäuscht wenn man "get out" gesehen hat.


julianne

vor einem Jahr

Echt sensationell mysteriös verwirrend und ein unglaubliches Drehbuch ! Vielleicht bekommt Jordan Peele nach GET OUT einen weiteren Drehbuch Oscar ! Schon GET OUT und US waren unglaublich! 3 Masterpieces von Jordan Peele !! Bravo


dulik

vor einem Jahr

"Nope" lässt sich keinem eindeutigen Genre zuordnen. Der gesellschaftskritische Film weist sowohl Elemente von Horror, Drama, als auch Science-Fiction auf. Zu Beginn hat der Streifen einige Längen und man weiss nicht so recht, wohin einem die Reise führen wird. Ab dem Mittelabschnitt gibt es dann immer wieder stark inszenierte und beklemmende Situationen, die zunehmend eskalieren. Insgesamt ein origineller und mutiger Film, der die Meinungen aber genau deshalb spalten dürfte.
7/10Mehr anzeigen


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