Les jeunes amant Belgien, Frankreich 2021 – 115min.

Filmkritik

Gefangen in einer verbotenen Romanze

Emma Raposo
Filmkritik: Emma Raposo

In «Les jeunes amants» behandelt die französische Regisseurin Carine Tardieu ein Thema, das im Kino kaum erzählt wird: eine Liebesgeschichte zwischen einem Mann und einer viel älteren Frau. Um diese Romanze der anderen Art zum Leben zu erwecken, schlüpfen Fanny Ardant und Melvil Poupaud mit nuanciertem und subtilem Spiel in die Rolle der verbotenen Liebenden.

Als der verheiratete 40-jährige Pierre (Melvil Poupaud) und die 71-jährige pensionierte Architektin Shauna (Fanny Ardant) sich kennenlernen, steht diese kurz davor, ihre beste Freundin im Krankenhaus zu verlieren. Pierre, der Arzt der Sterbenden und Freund von Georges (Sharif Andoura), dem Sohn der Patientin, verliebt sich sofort in Shauna.

Erst 15 Jahre später kreuzen sich die Wege von Pierre und Shauna erneut. Als Pierre sich bereit erklärt, Georges nach Irland in dessen Ferienhaus zu begleiten, trifft er dort auf Shauna, die regelmässig zur Erholung in diese abgelegene Gegend kommt. Pierre erkennt sie sofort. Shauna fällt es schwer, sich an den Mann zu erinnern, den sie vor einigen Jahren eines Nachts in den kargen Fluren eines Krankenhauses kennengelernt hat. Doch sofort kehrt die Vertrautheit zurück und die Zweideutigkeit nimmt zu. Von diesem Moment an werden die Gefühle der beiden immer stärker und führen schliesslich zu einer Affäre.

Auf den ersten Blick erzählt der Film eine ganz banale Geschichte über einen Betrug, auf den zweiten Blick ist es jedoch eine ungewöhnliche Liebesgeschichte. Und das Zitat «Liebe kennt kein Alter» entfaltet seine volle Bedeutung. Carine Tardieu spricht ein Thema an, das auf der grossen Leinwand kaum behandelt wird, da es in unserer Gesellschaft immer noch ein Tabu ist. Der vierte Spielfilm der Regisseurin stellt atypische Liebende in den Mittelpunkt: einen Mann, der eine ältere Frau liebt. Viel älter, denn es geht nicht um ein paar zehn Jahre, sondern um einen Altersunterschied von 30 Jahren. Auch wenn es niemanden schockiert, wenn ein Mann mit einer viel jüngeren Frau zusammen ist, bleibt das Gegenteil bis heute eine schwer vorstellbare Wahrheit in einer Gesellschaft, in der Frauen mehr als alle anderen unter dem Diktat des Jungseins stehen. Noch schwieriger zu begreifen ist vielleicht die Sexualität der Älteren. Das Leben in all seinen Facetten endet nicht mit dem Rentenalter.

30 Jahre - das ist der Zeitraum, der Pierre und Shauna voneinander trennt. Pierre sieht Shauna weder als ältere Person noch als Mutter oder Grossmutter, sondern als eine Frau, für die er tiefe Gefühle und ein brennendes Verlangen hegt. Die Co-Autorinnen Carine Tardieu und Agnès De Sacy veranschaulichen auf behutsame Weise die Hindernisse, die einer solchen Beziehung innewohnen. Neben dem Urteil der Mitmenschen und den missbilligenden Blicken stösst das Paar auf die schmerzhafte Realität des Alterns. «Les jeunes amants» beschreibt die Zerrissenheit zwischen einer aufkeimenden Liebe und der Zeit, die unaufhaltsam verrinnt, ein gnadenloser Countdown, der die Ironie des Lebens widerspiegelt. Die französische Regisseurin filmt auf subtile Weise alternde Körper, die Hülle des Körpers, die gelebt hat, und den Geist, der manchmal fehlt, wenn eine neue Romanze beginnt.

Die Thematik des Films ist so leuchtend wie brutal, so fröhlich wie traurig. Fanny Ardant und Melvil Poupaud verleihen diesem von Gefühlen gefangenen Paar Gestalt. Die 72-jährige Schauspielerin ist wunderschön und bildet mit ihrem Partner ein äusserst berührendes Duo. Die beiden Figuren betrachten, hören, beurteilen und umkreisen sich mit Zurückhaltung und Scham. Bewegend.

Übersetzung aus dem Französischen von Emma Raposo durch Maria Engler.

21.02.2024

4

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