Ambulance USA 2022 – 136min.

Filmkritik

Mit Vollgas ins Verderben

Christopher  Diekhaus
Filmkritik: Christopher Diekhaus

Michael Bays neue Regiearbeit «Ambulance», ein Remake des gleichnamigen dänischen Actionthrillers von 2005, bestätigt genau das, was man dem US-Filmemacher seit vielen Jahren nachsagt: Geschichte und Figuren sind bloss Mittel, um ein knalliges Spektakel zu entfachen. Manche wird’s freuen. Andere hingegen dürften noch vor dem Ende aussteigen.

Subtilität hat im Kino von Michael Bay keinen Platz. Das verdeutlicht schon der Einstieg ins Geschehen, der mit groben Strichen den Protagonisten Will Sharp (Yahya Abdul-Mateen II) und seine schwierige häusliche Situation illustriert. Verzweifelt versucht der kürzlich Vater gewordene Afghanistanveteran, seiner Ehefrau Amy (Moses Ingram) bei der Versicherung endlich eine Zusage für eine lebensnotwendige Operation zu besorgen. Die frustrierend unpersönlich bleibende Dame am anderen Ende des Telefons lässt ihn jedoch auflaufen. Wer Sidney Lumets auf wahren Begebenheiten beruhenden Kriminalfilm «Hundstage» von 1975 kennt, dem dürfte der nächste Schritt bekannt vorkommen. Auch in Bays neuer Regiearbeit scheint der einzige Ausweg ein krummes Ding zu sein. Zwar bittet Will zunächst seinen Adoptivbruder Danny (Jake Gyllenhaal) um das notwendige Geld. Da dieser aber selbst knapp bei Kasse ist, offeriert er dem Kriegsheimkehrer stattdessen die Teilnahme an einem angeblich todsicheren Bankraub.

Beim Anblick der finster dreinschauenden Gangstertruppe und angesichts der Spannungen, die deutlich spürbar in der Luft liegen, ahnt man sofort, dass etwas schrecklich aus dem Ruder laufen wird. Keineswegs wirkt die Bande so gut vorbereitet, wie Danny es dem anfangs abweisenden Will weismachen will. Beispiel gefällig? Einer der Kriminellen kreuzt in Birkenstock-Sandalen auf. Professionell geht irgendwie anders! In der Bank angekommen, reissen die seltsamen Gebaren nicht ab: Ist es wirklich clever, den Angestellten fast unmaskiert zu begegnen? Und warum bemüht sich Danny erst gar nicht, den liebestrunkenen Officer Zach (Jackson White) abzuwimmeln? Der Polizist ist es dann auch, der das schöne Vorhaben entgleisen lässt. Die Konsequenz: Eine wilde Schiesserei, bei der nahezu alle Verbrecher ums Leben kommen. Einzig Will und seinem Bruder gelingt die Flucht, die sie in einem Krankenwagen antreten. Als Geiseln mit an Bord: Der angeschossene Zach und die resolute Sanitäterin Cam Thompson (Eiza González).

«Ambulance» ist eine wilde Sause auf den Strassen von Los Angeles, bei der Michael Bay das Gaspedal fast immer durchdrückt. Seine Kamera wirbelt durch die Gegend, dreht sich, rast auf die Figuren zu, rückt ihnen direkt auf die Pelle, während ein Schnitt den nächsten jagt. Die pumpende Musik soll den Puls nach oben treiben. Und auch die Schauspieler, vor allem der hemmungslos schreiende und grimassierende Gyllenhaal, legen sich mächtig ins Zeug, um die Hektik der Lage in den Kinosaal zu transportieren. Die auf den Zuschauer einstürzenden Bildkaskaden können auf Dauer jedoch anstrengend werden. Positiv ist allerdings, dass die Macher häufig handgefertigten Effekten vertrauen. Autos fliegen hier richtig durch die Luft oder explodieren, ohne dass es digitale Hilfsmittel brauchen würde. Wie man Krawall erzeugt, hat Bay längst perfektioniert.

Handlung und Figuren haben sich, wie stets bei ihm, dem Getöse unterzuordnen. Amys Krankheit ist lediglich ein plumper erzählerischer Kniff, um Mitleid zu erzeugen und Wills Involvierung in den Raub zu erklären. Die wiederholt thematisierte Beziehung der Brüder, deren Vater ein notorischer Gangster war, wirft emotional wenig ab. Und sind einmal alle zentralen Charaktere eingeführt, braucht es keinen Filmexperten, um die weiteren Konstellationen zu erraten. Die ein oder andere absurde Volte sieht man vielleicht nicht auf Anhieb kommen. Von clever gebautem Actionkino, wie es etwa Christopher Nolan zu kreieren versteht, ist «Ambulance» jedoch meilenweit entfernt. Unter dem Strich gerät der permanent auf Hochtouren laufende Verfolgungsthriller ausserdem viel zu lang. Mindestens dreissig Minuten an bleihaltigen Auseinandersetzungen und aufgesetzten Humoreinlagen hätte man locker rausstreichen können. Getreu dem alten Motto, weniger ist manchmal mehr!



23.03.2022

2.5

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Kommentare

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stochi

vor einem Jahr

Unterhaltsam wenn auch etwas zu sehr übertrieben wird


sebastian_friedli

vor 2 Jahren

Wahnsinns guter Film. Spannung pur. Umbedingt Empfehlenswert. Drama und Action perfekt vereint.


Filmenthusiast

vor 2 Jahren

Unterhaltend durch einige Twists und eine zwar schöne, aber arktisch unterkühlte Nebendarstellerinin, doch stand der Film von anfang an auf tönernen Füssen. Trotz all der Action und Figuren mit der psychologischen Tiefe eine Pfütze, steuerte der Film auf sein unausweichliches Ende zu.

Interessant finde ich, dass wir das Prädikat "Popcornkino" immer wieder dann vorgesetzt bekommen, wenn ein Film mit Klischee-Hohlfiguren besetzt ist - Wikipedia schriebe dazu: "This article is a stub!" - und/oder inhaltlich hohl, abgedroschen, unglaubwürdig oder wenig originell ist. Es scheint so, als müssten die Popcorns den fehlenden Inhalt überbrücken. Bei zu gravierenden Mängel wird auch auf Bier als Resource zugegriffen, anschliessend wird der "tolle" Film gelobt und versucht ihn thematisch als gelungenes "Popcornkino" zu verkaufen.

Liebe Leser, liest man "Popcornkino" kann man sich darauf verlassen, dass der Film ernstere Mängel vorweist und kein Meisterwerk ist.Mehr anzeigen

Zuletzt geändert vor 2 Jahren


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