Supernova Grossbritannien 2020 – 94min.

Filmkritik

Schleichende Auflösung

Christopher  Diekhaus
Filmkritik: Christopher Diekhaus

Hinter dem astronomisch aufgeladenen Titel könnte ein Science-Fiction-Thriller stecken. Tatsächlich handelt Harry Macqueens zweiter Spielfilm aber von einem Paar, das sich im Angesicht einer Demenzerkrankung auf eine letzte grosse Reise begibt. Dem feinfühligen, melancholischen Liebesdrama drücken vor allem die beiden Hauptdarsteller ihren Stempel auf.

Mehr als einmal gibt es in «Supernova» raue, beeindruckende Landschaftsbilder zu sehen. Nie hat man jedoch das Gefühl, dass sie bloss einem Selbstzweck dienen. Vielmehr liefern sie den passenden Hintergrund für einen Film, der von schönen Dingen – einer langjährigen, innigen Beziehung – und harten Gewissheiten – dem Schrecken des langsamen Vergessens – erzählt. Tusker (Stanley Tucci), der vor einiger Zeit die bittere Diagnose erhalten hat, und sein Lebensgefährte Sam (Colin Firth) durchqueren in einem alten Wohnmobil die englische Provinz, schwelgen unterwegs in Erinnerungen, treffen alte Freunde und Verwandte und müssen sich auch einigen unbequemen Fragen stellen.

Anders als Florian Zellers virtuos inszeniertes Demenzdrama «The Father», das Anthony Hopkins in der Hauptrolle einen Oscar-Triumph bescherte und das Publikum tief in die Wahrnehmungswelt des Erkrankten eintauchen lässt, geht Macqueens zweite Regiearbeit das Leiden der nachlassenden Erinnerung weniger offensiv an. Hin und wieder macht sich Tuskers schwächelnder Zustand bemerkbar. Die meiste Zeit ist sein Denken und Handeln allerdings nicht getrübt. Stärker als die Beschwerden selbst rücken das Verhältnis der Protagonisten und die Frage, was die Demenz mit ihrer Partnerschaft anstellt, in den Mittelpunkt.

In erster Linie ist «Supernova» ein leiser, zwischen schmerzhaften und warmherzigen Momenten changierender Liebesfilm, der die Klippen des Kitsches souverän umschifft. Auch wenn es eine markante, durchaus absehbare Wendung gibt, bekommen wir es nicht gerade mit einer komplexen Geschichte zu tun. Für Tiefe und ehrlich berührende Gefühle sorgen allerdings die meistens klug über Befürchtungen und Erwartungen sinnierenden Dialoge und die Darbietungen der beiden Stars. Tucci und Firth, die im wahren Leben eine enge Freundschaft verbindet, bringen eine besonders in Gesten und Berührungen zum Vorschein kommende Vertrautheit auf die Leinwand. Was Tusker und Sam füreinander empfinden und wie sehr sie sich brauchen, verrät etwa ihre häufig eng umschlungene Schlafposition. Zwei Menschen, die sich gesucht und gefunden haben, geniessen die Nähe des anderen und spenden sich gegenseitig Halt, unterstreicht dieser wiederkehrende intime Anblick.

Den Hauptdarstellern gehört zweifellos die grosse Bühne. Tucci und Firth nutzen sie aber nicht, um sich selbst zu profilieren, sondern zeichnen feinfühlige Charakterporträts. Das Ende mag etwas abrupt daherkommen. 2021 dürfte man jedoch nur wenige Filme finden, die sich derart unpathetisch mit der Kraft der Liebe, der Schwierigkeit loszulassen und der Angst auseinandersetzen, die mit der schleichenden Auflösung der eigenen Identität einhergeht.

04.10.2021

4

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Kommentare

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stochi

vor 2 Jahren

Sackschwach. Schade ums Geld


Swisscheese

vor 2 Jahren

Schwacher Film. Vor allem wenn man zuvor The father gesehen hat. Nur die Landschaft war wirklich sehenswert


Taz

vor 2 Jahren

Starke Darsteller, intensiver Film. Nicht für jedermann, aber wer sich darauf einlässt, wird nicht enttäuscht. Toll Tucci und Firth!


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