Ida Red 2021 – 111min.

Filmkritik

«Ida Red»: Die Patin

Locarno Film Festival
Filmkritik: Locarno Film Festival

Im vierten Langspielfilm des hierzulande noch weitgehend unbekannten Regisseurs John Swab spielt Oscarpreisträgerin Melissa Leo («The Fighter») die Spinne im Zentrum eines vertrackten kriminellen Netzes. Eine vielversprechende Affiche – doch leider hakt «Ida Red» vor allem Gangsterfilm-Klischees ab.

Weder die 25 Jahre, die sie im Gefängnis absitzen muss, noch ihre Krebserkrankung können sie aufhalten: Ida «Red» Walker (Melissa Leo) ist die mächtigste Kriminelle in Oklahoma. Alles tanzt nach ihrer Pfeife, allen voran ihre Söhne Wyatt (Josh Hartnett) und Dallas (Frank Grillo), die in ihrem Auftrag auf Raubzug gehen und strategische Morde begehen. Doch die Luft wird dünner: Ida liegt im Sterben, derweil ihr Schwiegersohn, der Polizist Brodie (Slaine), die Ermittlungen gegen Wyatt und Dallas, seine eigenen Schwäger, aufnimmt.

Keine Frage, John Swab hat die erzählerischen und ästhetischen Eigenschaften des kernigen amerikanischen Räuber-und-Gendarm-Thrillers der Gegenwart verinnerlicht, von Michael Manns «Heat» (1995) – ebenfalls dieses Jahr in Locarno zu sehen – bis David Mackenzies «Hell or High Water» (2016). Wyatt und Dallas entsprechen den klassischen Figurentypen des schweigsamen Profis und des latent psychopathischen Outlaws, die als Duo praktisch unschlagbar sind – und für die nichts wichtiger ist als die eigene Familie. Mit Erpressung und Bestechung versuchen sie, die Begnadigung ihrer Mutter zu erzwingen; angespannt fluchend verhandeln sie über millionenschwere Fischzüge; in Pornokinos und schäbigen Fast-Food-Restaurants fällen sie kaltblütige Todesurteile. Eines der markantesten visuellen Motive von «Ida Red» sind kahle Hinterköpfe, die von Kugeln durchlöchert werden.

Wer von einem Gangsterfilm aber mehr erwartet als einen hohen Blutzoll und ein paar kompetent inszenierte Schiessereien, ist bei Swabs Film an der falschen Adresse. Während die familiären Verstrickungen der Walkers nicht über schon zigmal gesehene Klischees hinauskommen, bleibt das Ausmass ihrer kriminellen Machenschaften zu vage, um wirklichzu packen.

Ganz besonders ernüchternd ist auch Melissa Leo in der Rolle der Titelfigur. In den wenigen Szenen, in denen sie überhaupt zu sehen ist, gesteht ihr Swabs Drehbuch hauptsächlich abgedroschene Phrasen über «Ehre» und «Pflicht» zu, die selbst aus dem Mund einer Weltklasse-Schauspielerin wie Leo nur schwer ernst zu nehmen sind. Das Resultat ist eine bemühte, aber letztlich farblose Performance, die perfekt zum sie umgebenden 0815-Film passt.

Alan Mattli

16.08.2021

2

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