CH.FILM

Do you remember me? Schweiz 2021 – 83min.

Filmkritik

Die Rückkehr des beschnittenen Mädchens

Filmkritik: Walter Rohrbach

Stell dir vor du bist ein Mädchen im Alter von sieben Jahren. Ohne Narkose, vor Schmerzen musst du von mehreren Erwachsenen festgehalten werden und jemand beschneidet dein Geschlechtsorgan. Ein Horror und für viele Mädchen ein traumatisches Erlebnis. Der Dokumentarfilm handelt von Sara Aduse, einer jungen Frau aus Zürich, die in Äthiopien ihre Beschneiderin sucht.

Ein schwieriger Weg für Sara, deren Blick sich auf der holprigen Strasse entlang der kargen Landschaft ins Leere richtet. Tausende Gedanken gehen ihr durch den Kopf. Schwierig in das Äthiopien zurückzukehren, dass sie vor vielen Jahren verlassen hatte und zugleich der Ort ist, in dem sich ein gewaltvolles Ereignis bis heute unauslöschbar in ihre Erinnerung eingebrannt hat: Ihre Beschneidung, die sie nach eigenen Aussagen «als Kind gebrochen und bis heute schwer traumatisiert hat». Sara (28) wohnt heute in Zürich. Im Dokumentarfilm wagt sie die Reise zurück in ihr Heimatdorf Harar, um ihren inneren Frieden zu finden und ihre Beschneiderin zu suchen. Sara will sie mit der Tat konfrontieren. Allerdings erwartet sie auf ihrer Reise eine Reihe von unerfreulichen Überraschungen.

Während zwei Jahren haben die drei Filmemacherinnen und Filmemacher vom Nachrichtenportal «20 Minuten» Désirée Pomper, Helena Müller und Murat Temel am Dokumentarfilm gearbeitet. Entstanden ist ein Film über Menschenrechte und eine Dokumentation, die eindrücklich die schwerwiegenden psychischen und seelischen Folgeerscheinungen der weiblichen Genitalverstümmelung (Englisch Female Genital Mutilation, FGM) aufzeigt. Denn auch wenn die körperlichen Wunden einmal verheilt sind, bleiben Vertrauensverlust, Wut und viele offene Fragen zurück.

Sara hat aber den unglaublichen Mut diese Fragen zu formulieren und diese schonungslos und ehrlich zu stellen: Sei es ihrer ehemaligen Beschneiderin, sei es ihrer Grossmutter oder ihrer Mutter. Das ist ein starkes Stück, da es ein sehr intimes und spürbar unangenehmes Thema ist und zudem das Gegenüber direkt konfrontiert. Dies sind zugleich die eindrücklichsten Sequenzen und die erwähnenswertesten Pluspunkte für diese einprägsame Dokumentation. Auch stehen die persönlichen Schilderungen der Erlebnisse von Sara beispielhaft für den Umgang mit der eigenen Opferrolle, der Verarbeitung von traumatischen Erlebnissen und wie man seinen Weg trotzdem mit Selbstliebe weitergehen kann.

Die Beschneidung ist nach wie vor leider ein aktuelles Thema: Alle zehn Sekunden wird ein Mädchen beschnitten und weltweit sind über 200 Millionen Mädchen und Frauen betroffen. Sogar in der Schweiz sind 22 000 Mädchen betroffen oder gefährdet. Damit ist dieser Film ein eindrückliches Statement für ein wichtiges Thema und reiht sich in eine Reihe von klugen Filmen ein, beispielsweise Never Rarely Sometimes Always, Female Pleasure, welche die Selbstbestimmung von Frauen ins Zentrum rücken – eine Forderung, die heute immer noch nicht selbstverständlich ist und auf die leider immer noch hingewiesen werden muss.

23.03.2022

3.5

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Kommentare

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NotaLee

vor 2 Jahren

Hammer Geschichte. Starke Frau. Mega tolle und wertvolle Arbeit. Echt mutig. Kompliment.


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