CH.FILM

Sami, Joe und ich Schweiz 2020 – 94min.

Filmkritik

Auf Augenhöhe mit Teenagern

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Drei Freundinnern um die 16 gehen durch dick und dünn. Nach dem Schulabschluss beginnt der «Ernst des Lebens», verschärfen sich die Probleme mit Eltern, überhaupt mit Erwachsenen. Regisseurin Karin Heberlein inszenierte in der Zürcher Agglomeration ein herbes Teenagerdrama und wurde am ZFF mit dem Filmpreis der Zürcher Kirchen ausgezeichnet.

Sie wollen nochmals einen Drauf machen – nach dem Schulabschluss und vor dem Einstieg ins Berufsleben. Verständlich. Doch Eltern und Familienverhältnisse setzen Grenzen. Die Latina Jocelyn (Rabea Lüthi), von allen nur Joe genannt, wird von der alleinerziehenden Mutter in die Pflicht genommen und muss sich allzu oft um ihre zwei kleineren Geschwister kümmern. Sie jobt nach der Schulentlassung in einem Ersatzteillager und hilft auch mal als Putzfrau aus. Freundin Sami (Anja Gada), eigentlich Samira, stammt aus Bosnien, wird vom älteren Bruder getriezt und beargwöhnt. Auch der strenge Vater hat ein wachsames Auge auf sie und verbietet ihr den Umgang mit dem Jungen Nadi (Karim Daoud).

Ich-Erzählerin Leyla (Jana Sekulovska), ein hübscher aufgeweckter Teenager, beginnt eine Lehre in einer Grossküche. Sie ist gegenüber ihren Freundinnen ziemlich selbständig und hat sich den Leitspruch ihrer verstorbenen Mutter zu Herzen genommen: «Behalte immer mehr Träume in der Seele, als die Realität zerstörten kann.»

Alle drei werden mit einer harten Alltagswirklichkeit konfrontiert. Sami himmelt den jungen Nadi an, der ihr eine tolle Zukunft in einem Jugendlager verspricht. Ihr konservativer Vater ist misstrauisch und verbietet der Tochter den Umgang mit dem etwas undurchsichtigen Freund. Doch sie widersetzt sich und reisst aus. Joe wird von ihrem Chef bedrängt und vergewaltigt. Sie schweigt, weil sie um den Job ihrer Mutter fürchtet, die beim selben Arbeitgeber angestellt ist. Leyla schmeisst ihre Lehre hin, um Freundin Joe beizustehen. Sie wollen sich rächen.

Karin Heberlein, in Basel geboren, in Zürich aufgewachsen, inszenierte ein Teenagerdrama auf Augenhöhe. Ihr erster Langspielfilm beschreibt Träume, Hoffnungen und Erfahrungen von Teenagern, die mit einer unerbittlichen und feindlichen Erwachsenenwelt konfrontiert werden. Einzig die Lehrerin, Frau Novak (Linda Olsansky), hat ein offenes Ohr für die Probleme der jungen Mädchen. Verständig, genau und empathisch beschreibt die Filmautorin, wie Träume zerplatzen, die Freundschaft der «Girlies» auf Probe gestellt wird und der Alltag die jungen Menschen gnadenlos fordert. Sie werden Opfer von Rassismus, Machotum und überforderten Eltern. Doch sie wehren sich, wollen keine Opfer sein.

Karin Heberlein gelang ein starkes authentisches Kinostück, angesiedelt in der Zürcher Agglomeration, mit mitreissenden jungen Darstellerinnen, die ihr Filmdebüt geben. «Sami, Joe und ich» erhielt am ZFF 2020 den Filmpreis der Zürcher Kirchen, dotiert mit 10 000 Franken.

21.05.2021

5

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Kommentare

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Patrick

vor 2 Jahren

Kommt Frisch und Frech daher den durch die 3 unverbrauchten Darstellerinnen fühlt sich das Movie so an.Ebenso cool fand ich den Soundtrack des Filmes und das Sami,Joe und Ich sehr realistisch daher kommt.Das Filmende lässt viele Fragen offen und lädt daher zum Diskutieren und Nachdenken ein.Mehr anzeigen

Zuletzt geändert vor 2 Jahren


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